Rückblick und Ausblick auf die ökonomischen Debatten über den suboptimalen Währungsraum in Europa – Milton Friedman war Skeptiker von Anfang an.
Die zähen und recht emotional geführten Verhandlungen beim Euro-Gipfel Anfang Juli in Brüssel über das Schicksal Griechenlands haben wieder einmal die Fragilität und Unvollkommenheit der Europäischen Währungsunion offengelegt. Ökonomen halten die im Umgang mit Griechenland und dem Verhalten Athens zutage getretenen Probleme und Verhaltensweisen denn auch nur für ein Symptom eines viel tiefer liegenden Problems. Deutlich zutage getreten ist etwa, wie tief gespalten der Euroraum politisch ist. Denn es geht letztlich um den Charakter der Währungsunion, worüber gestritten worden ist. Soll sie eine Transferunion darstellen oder doch eher ein regelbasiertes Bündnis? Außerdem wurde schmerzlich bewusst, dass es sich bei der Eurozone nicht um einen optimalen Währungsraum handelt, weil es bereits am Mindesten fehlt: neben der Notenbank eine handlungsfähige zentrale politische Entscheidungsgewalt. Stattdessen verhandelten die einzelnen Nationalstaaten darüber, wie man mit einem Mitglied umgehen soll, das sich nicht an Regeln hält. Nicht das gemeinsame Interesse an einem geeinten Europa hat dabei die Hand geführt, sondern die mehr oder weniger mächtigen nationalen Interessen und Vorstellungen einzelner Mitgliedsländer waren entscheidend bei der Kompromisssuche.
Schon lange haben Ökonomen davor gewarnt, dass die Eurozone an ihren – hier wieder zutage getretenen – inneren Widersprüchen scheitern wird. Und deshalb pflegten viele Volkswirte bereits in der Vergangenheit ein eher kritisches Verhältnis zur Europäischen Währungsunion. Star-Ökonom Nouriel Roubini etwa hat immer wieder den „Niedergang der Eurozone“ prophezeit oder ihr „letztes Gefecht“ ausgerufen. Der türkische Volkswirt Kemal Dervis sah die Eurozone bereits „am Abgrund“. Und Daniel Gros vom Brüsseler Center for European Policy Studies hat vor den Gefahren gewarnt, dass eine – wegen ihrer Unzulänglichkeiten – zu technisch und nationalstaatlich ausgerichtete Währungsunion ohne politischen Union nur die Demokratie aushebele.
In verschiedenen Facetten lässt sich ihre Argumentation immer auf ein grundlegendes Muster zurückführen, das Ökonomen bereits 1992 kurz nach der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht vorgegeben haben. In einem „Manifest“ warnten 62 deutsche Professoren vor einer überhasteten und fehlerhaften Einführung einer Gemeinschaftswährung. Würden die Wirtschaftsstrukturen nicht zuvor angeglichen, würde dies die westeuropäischen Staaten so starken ökonomischen Spannungen aussetzen, dass diese in absehbarer Zeit zu einer politischen Zerreißprobe führen und damit das Integrationsziel gefährden würden.
Im August 1997 schlug der Nobelpreisträger Milton Friedman in die gleiche Kerbe mit einer Denkschrift unter dem Titel „The Euro: Monetary Unity to Political Disunity?“. Frei übersetzt: Ist der Euro eine Art politischer Spaltpilz? Es scheint so, wenn man sich die Vorwürfe der Einzelstaaten und die Diskussionskultur am vergangenen Wochenende (beim Gipfel selbst und in den Medien) vor Augen führt.
Friedman verglich damals die USA mit der Eurozone und betonte, dass es Letzterer schon an der gleichen Sprache, der nötigen Jobmobilität, einer gemeinsamen Identität und vor allem an einer zentralen Instanz mit Durchgriffsrechten fehle. Dieser Mangel werde noch verschlimmert, weil die Eurozone im Gegensatz zu den USA auch einen rigideren Arbeitsmarkt und ein recht starres Lohngefüge aufweise. Alles Entwicklungen, so Friedman, die geradezu nach einem Währungspuffer rufen würden. Daher werde der Euro gerade nicht den erhofften Effekt haben, Deutschland und Frankreich so stark miteinander zu verbinden, dass ein Krieg in Europa künftig undenkbar erscheine. Vielmehr werde das Gegenteil eintreten, prophezeite er: „Die politischen Spannungen würden verschlimmert, weil ökonomische Schocks unterschiedlich verarbeitet und nicht mehr durch den Wechselkurs abgefedert werden.“ Friedmans Urteil: „Politische Einigkeit kann zwar den Weg für eine Währungsunion freimachen. Eine Währungsunion aber, die unter ungünstigen Umständen entstanden ist, wird den Weg zu einer politischen Union eher versperren.“
Im Herbst 2013, als die Krise in der Eurozone bereits viele Spannungsspitzen erlebt und viele Euro-Sondergipfel hinter sich hatte, aber niemand wusste, ob sie nun am Abflauen ist oder nur neue Kraft schöpft, gab es zwei Initiativen, welche vorschlugen, die Europäische Währungsunion auf eine neue – stabilere – Grundlage zu stellen. Eine unparteiische Gruppe deutscher Ökonomen, Rechtsanwälte und Politikwissenschaftler um Henrik Enderlein, Marcel Fratzscher und Clemens Fuest, die Glienecker Gruppe, knüpfte das Überleben der Eurozone an eine politische Union mit einem gemeinsamen Haushalt. Schließlich brauche eine monetäre Union einen Transfermechanismus, um die Folgen schwerer konjunktureller Einbrüche abzumildern, und obendrein eine legitime Regierung, damit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit jederzeit und in allen Ländern gewährleistet werden könnten.
Dagegen hielt der ehemalige Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF) Ashoka Mody die Etablierung einer politischen Union für unwahrscheinlich, weshalb er riet, sich wieder auf den Grundsatz des No-Bail-out zurückzuziehen – ergänzt um eine Insolvenzordnung für Staaten. Sobald Staaten budgetmäßig über die Stränge schlügen, würden sie von den Märkten sanktioniert. Insofern würden sich die Banken schon darauf einstellen, nicht mehr auf „sichere“ Staatsanleihen setzen zu können. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass Märkte nicht immer zeitnah reagieren, so dass Staaten Gelegenheit haben, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Halbwertszeit der Eurozone dürfte vor diesem Hintergrund eher in Jahren als Jahrzehnten zu messen sein.