Bundesbank

D-Mark, Drachme, Bitcoins: Ersatzwährungen im Wartestand?

Die deutsch-deutsche Währungsunion vor 25 Jahren hat es gezeigt: Gutes Geld verdrängt schlechtes. Doch wenn ein Land aus der Währungsunion fällt, braucht es Notgeld. Im Kalten Krieg waren die Staaten diesbezüglich vorbereitet.

Deutsche Banknoten

Von Stephan Lorz, Frankfurt

In den Jahrzehnten des Kalten Krieges bis zur deutschen Einigung waren die Notenbanken des Westens und des Ostens auf das Schlimmste gefasst: Sollte der potenzielle Gegner die Wirtschaft durch die massenhafte Infiltration von Falschgeld schwächen, gab es „Ersatzgeld“. Um die damit einhergehende Destabilisierung etwa der D-Mark zu stoppen, hätte die Bundesbank nämlich die laufende Banknotenserie für ungültig erklärt und neue Geldscheine aus einem Vorrat in Umlauf gebracht. Das Notgeld – 15 Mrd. D-Mark in kleinen Scheinen – wurde in einem Bunker unter einem Schulungszentrum der Bundesbank in Cochem gelagert. Der Geldbestand wurde alle drei Monate stichprobenartig kontrolliert. Außer den Bundesbankprüfern durfte niemand den Bunker betreten.

Dass eine gewisse Vorsorge nötig ist, war den Notenbankern aus der Geschichte bekannt. Schon der sowjetrussische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin sagte: „Wer die Kapitalisten vernichten will, muss ihre Währung zerstören.“ Und da die D-Mark im Laufe der fünfziger Jahre bis hin zur Europäischen Währungsunion der ganze Stolz der westdeutschen Nation war, galt sie als potenzielles Angriffsziel geheimdienstlicher Aktionen. Zumal man wusste, dass auch das Hitler-Regime im „Dritten Reich“ in großem Stil Pfund-Noten gefälscht und in Umlauf gebracht hatte.

Auch für den Fall einer neuen Hyperinflation schien eine Ersatzwährung die richtige Vorsorge zu sein. Die Deutschen hatten diesbezüglich ja ihre eigenen Erfahrungen gesammelt und das schier unvorstellbare Leid vor Augen, was sich letztendlich in ihr kollektives Gedächtnis eingebrannt und zu einer ausgeprägten Stabilitätskultur im Hinblick auf die Währungspolitik geführt hat.

Natürlich hatte die damalige DDR ebenfalls vorgesorgt und sogenanntes „Militärgeld“ als Ersatzwährung vorrätig: Alte Scheine wurden – neu gestempelt und überdruckt – in mehreren Depots in Grenznähe sowie in Ost-Berlin untergebracht. Offiziell „zur Verteidigung der Währung“, aber zugleich auch, um sie „in eroberten Gebieten zu verwenden“, wie es laut Bundesbank-Historiker Reinhold Walburg in manchen Dokumenten unverhohlen heißt.

Mit der deutsch-deutschen Währungsunion, die vor bald 25 Jahren am 1. Juli 1990 vollzogen wurde, waren die deutsch-deutschen Ersatzwährungen dann Geschichte. Die Lastwagen der Bundesbank brachten 440 Millionen D-Mark-Scheine in die damals noch existierende DDR. Münzen waren Mangelware, weshalb die im Westen eher weniger genutzten „Fünfer“ als Scheine verstärkt in Umlauf kamen.

Schon damals hatte man angesichts der steigenden Menge an Banknoten Zweifel, dass die nötige Anzahl für eine Ersatzwährung überhaupt herzustellen wäre. Deshalb wurde das Konzept aufgegeben. Man setzte bei der nächsten D-Mark-Serie stattdessen auf eine immer höhere Fälschungssicherheit durch immer neue technische Kniffe.

Auch für den Euro gibt es offiziell keine Ersatzwährung für den Krisenfall. Die Ausgabe neuer, noch fälschungssicherer Noten soll das überflüssig machen. Doch im Falle eines Auseinanderbrechens der Währungsunion oder im Falle des Exits eines Landes, wie er aktuell mit Griechenland droht, wäre man wohl froh, wenn es bereits gedrucktes Notgeld gäbe, das man schnell ersatzweise ausgeben könnte. Vielleicht haben andere Staaten und – konkret – Athen diesbezüglich bereits vorgesorgt. Entsprechende Druckplatten dürfte wohl jede Notenbank im Tresor haben. Hilfsweise müssten existierende Euro-Scheine einfach überstempelt werden, was eine Wertvernichtung darstellen würde, oder alte noch nicht zerstörte Drachmen-Noten würden neu ausgegeben.

Das wäre überflüssig, wenn das digitale Geld schon allumfassend eingesetzt und nutzbar wäre. Bislang mangelt es hier noch an der entsprechenden Ausstattung der Bürger und der Kassen, um via Handy oder Chip den Zahlungsvorgang durchzuführen. Dann genügte schon ein Update der Bankensoftware, um – ähnlich wie auf den Umstellungskonten der DDR-Bürger – den Euro in die Drachme umzumünzen. Die könnte dann sofort im Zahlungsverkehr eingesetzt werden. Für den unbaren Zahlungsverkehr wäre das schon heute kein Problem, aber bei der Barzahlung hapert es eben an entsprechenden physischen Noten.

Doch ob diese Entwicklung tatsächlich so positiv für die Bürger ist, wie es derzeit so manche Ökonomen hinstellen, ist fraglich. Abgesehen davon, dass damit auch der Freiraum der Bürger beschnitten wird, sie von staatlichen Stellen auf Schritt und Tritt erfasst und analysiert werden könnten, würde auch das Vertrauen in die Währung untergraben, wenn das Volk etwa stabilitätsgefährdendem Wirken der Notenbanken nicht mehr entrinnen könnte. Negativzinsen könnten per Tastendruck allumfassend durchgesetzt werden. Wenn das um sich greift, bliebe nur noch die Flucht in eine tatsächlich staatsfreie Währung: Bitcoins. Je mehr Notenbanken staatliche Gefälligkeitspolitik betreiben und durch unkonventionelle Instrumente langfristig die Preisstabilität untergraben, desto eher könnten Bitcoins zu einer echten Alternative und zu einer wahren Ersatzwährung heranreifen.

Fauxpas der EZB

IMG-20130806-WA0011_edit1Um Insidergeschäfte zu verhindern und weil sie eine öffentliche, demokratisch zu  kontrollierende Einrichtung ist, darf die EZB Medien künftig nicht mehr von Veranstaltungen fernhalten.

 

Da verschafft EZB-Direktor Benoît Coeuré einigen Marktakteuren das Geschäft ihres Lebens, weil er in einer geschlossenen Veranstaltung verkündet, dass die Notenbank vor der Sommerpause verstärkt Anleihen aufkaufen wird, um im Hochsommer bei einem dann ausgedünnten Markt etwas zurückhaltender zu agieren, doch offenbar ist die EZB der Ansicht, dass dafür die Journalisten büßen müssen.

Zumindest hat es diesen Anschein, da die Notenbank just am gestrigen Donnerstag verkündete, dass die Presse künftig nicht mehr vorab gegen Sperrfrist die Reden wichtiger EZB-Akteure erhalten darf. Zwar weisen die Währungshüter die Unterstellung von sich, das sei eine Reaktion auf den Fauxpas von Coeuré. Die Änderung habe man seit Monaten debattiert, weil über soziale Netzwerke Informationen vor Ablauf der Sperrfrist veröffentlicht worden seien. Doch der Zeitpunkt überrascht schon – nur zwei Tage nach dem Kommunikationsdebakel.

Dabei ist die Verteilung von Reden gegen Sperrfrist eine von Zentralbanken seit Jahren geübte Praxis, um gerade sicherzustellen, dass Medien zeitgleich über EZB-Äußerungen berichten. Kein Marktteilnehmer, der sich zufällig auf der dazugehörigen Veranstaltung befindet, soll einen Informationsvorsprung haben. Wie sich aber gezeigt hat, ist der Bruch von Sperrfristen eher das geringere Problem der Notenbank, ein größeres sind vielmehr unbedachte Äußerungen ihres Spitzenpersonals. Oder Kommunikationspannen, wie im aktuellen Fall, weil die Rede erst am nächsten Morgen veröffentlicht wurde. Die Verantwortlichen in der Notenbank sollten sich also an die eigene Nase fassen. Auch der US-Notenbank Fed ist unlängst eine solche Panne unterlaufen, als sie eine Mail versehentlich vorab an Wall-Street-Banken verschickt hatte und es zu Kursreaktionen gekommen war.

Pikant ist zudem, dass Coeuré an jenem Montag in London die Rede in einer geschlossenen Veranstaltung gerade vor Marktteilnehmern wie Hedgefondsmanagern gehalten hatte, deren Umtriebigkeit ja durchaus bekannt ist. Medien waren übrigens nicht zugelassen. Schon während der Veranstaltung ging der Euro zum Dollar auf Talfahrt – moderne Medien machen es möglich. Will man Insiderverstöße verhindern, darf die Öffentlichkeit künftig von keinem EZB-Auftritt mehr ausgesperrt werden.

Gedruckte finanzielle Freiheit

Rund 8 Cent kostet ein Euroschein im Schnitt in der Herstellung. Über den Ladentisch geht er dann aber als 5-, 10-, 20- oder gar als 500-Euro-Note, weil es die Notenbank ist, die buntes Papier bedrucken lässt und nicht irgendwer. Eine verführerische Wertsteigerung, die schon manchen rechtschaffenen Menschen zum Geldfälscher hat werden lassen.

Ab dem 23. September gibt es nun nach der 5-Euro-Note eine Neuauflage der 10-Euro-Note zu bewundern. Sie fällt nach Angaben von Bundesbankvorstand Carl-Ludwig Thiele zwar etwas teurer aus als ihre Vorgänger, weil neue Sicherheitsmerkmale integriert sind, dafür hält sie aber etwas länger, bevor sie aus dem Verkehr gezogen werden muss. Der Mehrpreis rechnet sich also.

Liest man die aktuellen Meldungen aus dem Digitaluniversum, scheinen die Tage des Bargelds indes gezählt zu sein, weil die Rechnung an der Supermarktkasse, am Kiosk oder in der S-Bahn künftig verstärkt mit elektronischen Zahlungsmitteln beglichen werden soll. Und die jüngste Novität von Apple, das Bezahlsystem Apple Pay in seinem neuen iPhone, lässt viele Beobachter glauben, dass der Markt schon reif ist für eine tektonische Veränderung. Schon heute werden bei immer kleineren Beträgen EC- und Kreditkarte gezückt. Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Bezahlhandy.

Die Daten der Bundesbank zeigen allerdings, dass sich das „analoge“ Bargeld erstaunlich lange hält: Nach wie vor werden in Deutschland wertmäßig mehr als die Hälfte aller Rechnungen an den Kassen mit Geldscheinen und Münzen beglichen. Und der Wert der Bargeldbestände im Umlauf hat in jüngster Zeit eher noch zugenommen. Das liegt aber weniger an den Bezahlvorgängen selber, sondern an der Funktion des Euroscheins als Wertaufbewahrungsmittel. Angesichts der niedrigen Zinsen und der vernachlässigbaren Geldentwertung in der Eurozone werden offenbar immer mehr Euro physisch gehalten. Und auch im angrenzenden Nicht-Euro-Ausland setzen die Menschen auf den Euro als Reservewährung, um auch im Krisenfall zahlungsfähig zu bleiben. „Das Bargeld ist weiter unschlagbar“, sagt Thiele vor diesem Hintergrund.

Womöglich kommt aber in jüngster Zeit ein weiterer Aspekt hinzu, der die Attraktivität des Bargelds eher wieder steigen lässt: die Angst vor Bespitzelung. Jeder elektronische Zahlvorgang ob mit dem iPhone, dem Androiden oder der EC-Karte lässt sich zurückverfolgen, analysieren, bewerten und mit anderen Versatzstücken aus Big Data kombinieren. Und schlagen die Algorithmen Alarm, wird womöglich der Bezahlvorgang gestoppt, so die Angst. Außerdem verlangen die Systemdienstleister auch ihren Obolus. Das dürfte beim iPhone auch nicht anders sein. Kosten, die natürlich auf die Kunden abgewälzt werden.

Demgegenüber stellt das Bargeld „geprägte Freiheit“ dar, wie es der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing einmal ausgedrückt hat. Big Brother ist hier machtlos. Es sei denn, nach dem Bezahlvorgang zückt man die Kundenkarte, um sich Bonuspunkte gutschreiben zu lassen.

Die Versuchung aus Frankfurt

Von Stephan Lorz
Von Stephan Lorz
Auch wenn Bundesfinanzministger Wolfgang Schäuble nur über 2,5 Mrd. Euro aus dem Bundesbankgewinn direkt verfügen kann und der Rest der insgesamt 4,6 Mrd. Euro in den Investitions- und Tilgungsfonds fließen – eine Versuchung stellt die Überweisung aus Frankfurt aber gleichwohl dar. Zwar sind die 2,5 Mrd. Euro Handgeld ohnehin im Bundeshaushalt „verplant“ gewesen, der Rest aber senkt die Schuldenquote, was fiskalischen Spielraum verschafft und neue Ausgabenideen sprießen lässt. Würde es die Zwangstilgung nicht geben, wäre auch für die gesamten 4,6 Mrd. Euro schnell eine Verwendung gefunden. Wie gefährlich eine solche Haltung allerdings ist, haben die vergangenen zwei Jahre gezeigt, als die Notenbank entgegen den Erwartungen in Berlin nur einen dreistelligen Millionenbetrag ausgeworfen hatte, weshalb die Regierung ihre Planung hastig korrigieren musste. Bleibt die Frage: Warum nicht den ganzen Betrag zur Tilgung hernehmen? Das wäre auf jeden Fall nachhaltiger für den Gesamtstaat. Denn mittelbar käme ein solcher Schritt dem Fiskus durch niedrigere Zinslasten über viele Jahre zugute.