25 Jahre deutsch-deutsche Währungsunion – und die Lehren für die Eurozone, wo derzeit Nationalismus und gegenseitiges Misstrauen die Zukunft verdunkeln.
Von Stephan Lorz
Wie sich die Bilder gleichen! 1. Juli 1990: Warteschlangen vor den Banken, Menschen fallen sich in die Arme, winken den Geldtransportern vom Straßenrand aus zu, jubeln in die Fernsehkameras. Die D-Mark kommt in die DDR. 1. Januar 2002: Europaflaggen über der Akropolis, Menschen tanzen auf den öffentlichen Plätzen, Griechenland bekommt doch noch den Euro. Die Drachme ist schnell vergessen, der neuen Währung wird gehuldigt.
Und heute? Die Währungsunion in Deutschland war letztlich ein Erfolg. Kaum jemand zweifelt noch daran, dass es die richtige Entscheidung war, auf dem Weg zur deutschen Einheit zunächst ein gemeinsames Geld einzuführen. Die D-Mark hat nicht sogleich „blühende Landschaften“ hervorgebracht, doch leiteten die starke Währung und die Milliardenhilfe im Rahmen des „Aufbaus Ost“ nach einer Phase hoher Arbeitslosigkeit eine Reindustrialisierung in den neuen Bundesländern ein, um die Deutschland im Ausland mittlerweile beneidet wird. Die verbliebenen und die neuen Unternehmen im Osten sind inzwischen weltweit wettbewerbsfähig, wenngleich das Produktivitäts- und Einkommensniveau noch nicht ganz Weststandard erreicht hat. Der Sozialismus hatte die damalige DDR viel stärker ausbluten lassen, als Ökonomen und Politiker seinerzeit wahrgenommen hatten. Ein Warnzeichen für alle derartigen Experimente heute.
Was die Europäische Währungsunion anbelangt, so sind die Erfahrungen gemischt. Zwar ist der Währungsraum weltweit attraktiv, weil er eine hohe Wirtschaftskraft in die Waagschale werfen kann, doch haben unverantwortliches politisches Verhalten und der falsche Einstiegskurs in einigen Volkswirtschaften ein konjunkturelles Strohfeuer entzündet, das wenige Jahre später die Eurozone in eine tiefe Krise stürzte. Ganze Staaten mussten gerettet werden und hatten sich einem strikten Reformprogramm zu unterziehen. Die damit einhergehende Arbeitslosigkeit erreichte so beängstigende Ausmaße, dass vereinzelt sogar das kapitalistische Wirtschaftssystem infrage gestellt worden ist. Das gilt vor allem in Griechenland, wo die staatlichen Strukturen und politischen Verhaltensmuster nicht einmal annähernd einer modernen Volkswirtschaft entsprechen und die Zerwürfnisse daher besonders groß sind.
Im Gegensatz zur deutsch-deutschen Währungsunion, wo vor 25 Jahren ebenfalls zunächst die wirtschaftlich-pekuniäre Einheit vollzogen wurde, ehe es zur politischen Einheit kam, ist die Europäische Währungsunion in der ersten Phase steckengeblieben. Während in Deutschland zentrale Institutionen das Sagen haben, fehlen der Eurozone gerade solche klaren Strukturen: Die Geldpolitik wurde vergemeinschaftet, die Finanzpolitik aber blieb in der Entscheidungshoheit der Mitgliedstaaten. Das führt zu einer verstärkten Verschuldungsneigung bei den Staaten, weil sich die damit einhergehenden Kosten in einer Währungsunion teilweise auf andere Länder überwälzen lassen – was für großen Missmut sorgt.
An einer Vervollständigung der Eurozone durch eine politische Union ist vor diesem Hintergrund gegenwärtig gar nicht zu denken. Der Streit um den Länderfinanzausgleich in Deutschland zeigt, wie schwer es schon in einem Nationalstaat ist, die Interessen auf einen Nenner zu bringen. Wie viel schwieriger ist es dann in einem losen Staatenbund, in dem das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen nicht so stark ausgeprägt oder gar nicht vorhanden ist? Der politische Umgang mit der Euro-Krise und der verstetigte Regelbruch haben das Misstrauen der Bürger zudem noch verstärkt. Der Nationalismus nimmt zu, was jeden weiteren Integrationsschritt erschwert.
Während die D-Mark die beiden deutschen Staaten weiter zusammengeschweißt hat, fungiert der Euro derzeit also eher als Spaltpilz. Dabei war das Projekt von der Politik einst ausersehen, Europa zu einen und eine politische Union vorzubereiten. Es erscheint heute aber unwahrscheinlicher denn je, dass die Nationalstaaten zu weiterem Souveränitätsverzicht bereit wären, um etwa einen Euro-Finanzminister mit Durchgriffsrechten auszustatten. Die Eurozone wird deshalb immer fragiler. Zwar gab es auch bei der deutsch-deutschen Währungsunion Momente der Verunsicherung. Letztendlich aber war sie ein Selbstläufer. In Europa indes wäre schon ein politischer Kraftakt nötig, um das Blatt noch zu wenden. Vielleicht haben die desaströs verlaufenen Verhandlungen mit Griechenland den beteiligten Personen noch einmal vor Augen geführt, wie dünn das Eis eigentlich ist, auf dem die Eurozone steht.