Eigentlich hätte Brüssel bereits unmittelbar nach den Enthüllungen von Edward Snowden das Safe-Harbor-Abkommen mit den USA auf Eis legen müssen. Bei der allgegenwärtigen Digitalschnüffelei der US-Geheimdienste konnte von einem „Safe Harbor“ nicht mehr die Rede sein. Aber die Politik in Berlin und Brüssel nahm das offenbar aus falsch verstandener Partnerschaft mit den USA hin. Womöglich auch, weil in den analogen Regierungszentralen Europas ein großes Unverständnis herrscht über die tektonischen Machtverschiebungen, die der digitale Wandel bei falschen Weichenstellungen mit sich bringt. Insofern sind die Beifallsbekundungen, die den Richtern am Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach ihrem „Facebook-Urteil“ nun von politischer Seite zugehen, heuchlerisch.
Es ist von einem „Meilenstein“ oder einem „Paukenschlag“ für den Datenschutz die Rede. Doch ändert das Urteil wirklich alles zum Besseren? Zwar machte es das Safe-Harbor-Abkommen den Konzernen (zu) einfach, das europäische Informationssubstrat aus Regionen mit hohen Datenschutzstandards in die USA zu ziehen und nach allen Regeln der Kunst zu verarbeiten. Das wird jetzt etwas komplizierter – vor allem aber für die Nutzer. Künftig müssen sie wohl eine weitere Zustimmung geben zu neuen bibeldicken „AGB“. Aber selbst wenn das nicht genügt und die Rechner nach Europa umziehen müssen, schützt das ja nicht vor Schnüffelei: Der britische Geheimdienst GCHQ steht der amerikanischen NSA in nichts nach – und gibt die Daten von sich aus weiter. Zudem haben US-Gerichte klargestellt, dass nichtamerikanische Bürger ohnehin keinen Datenschutz für sich reklamieren können – auch nicht jenseits der US-Grenzen. US-Konzerne müssen hier kooperieren. Nur eine bewusste Entscheidung der Konsumenten gegen die US-Platzhirsche im Netz würde die Lage verändern. Aber ist es realistisch, dass dies passiert?
Probleme mit dem Urteil dürften zudem weniger die großen Konzerne dies- und jenseits des Atlantiks haben, sondern eher die vielen kleineren Unternehmen, die digitale Serviceleistungen in die USA ausgelagert oder dort Tochterfirmen haben. Das dürfte die gefährlichen oligopolistischen Tendenzen in der Internetökonomie weiter verstärken. Daher sollte die Politik jetzt schnellstens vom Beifalls- in den Arbeitsmodus wechseln zur Ausarbeitung eines neuen – realistischeren – Abkommens. Das Urteil dürfte die europäische Verhandlungsposition zur Durchsetzung eigener Vorstellungen von Datenschutz dabei gestärkt haben.