Die Zudringlichkeit, mit der angelsächsisch geprägte Ökonomen in letzter Zeit die deutsche Politik unter Druck setzen, damit sie zur Konjunkturrettung in Europa die Staatsausgaben drastisch erhöhe, und wie sie die Europäer insgesamt dazu drängen, die Konsolidierung zu stoppen, weil diese Politik eine neuerliche Rezession erst regelrecht heraufbeschwöre, ist schon auffällig. Internationale Institutionen wie zuletzt die Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), oder (seit langem) der Internationale Währungsfonds sowie diverse Starökonomen wie Paul Krugman und Joseph E. Stiglitz werden nicht müde, die Regierungen im Währungsraum zu kreditfinanzierten deutlichen Mehrausgaben zu treiben und die Europäische Zentralbank aufzufordern, die Schleusen für Quantitative Easing (QE) doch noch weiter zu öffnen.
Die „alten“ Wahrheiten, wonach solide Staatsfinanzen die Grundlage für Wirtschaftswachstum darstellen, weil nur so das Vertrauen von Konsumenten und Investoren gewonnen wird, gelten in ihrem Verständnis nicht mehr. Sparen ist sekundär, weil Geld ja einfach so geschaffen werden kann – von den Notenbanken. Sie werden in diesem ökonomischen Universum zum fiskalischen Außenposten der Regierungen und fluten die Märkte mit immer mehr Geld nach dem Motto: viel hilft viel. Die Fed, die Bank of England und auch die Europäische Zentralbank (EZB) sollen sich zu Maschinenräumen der Volkswirtschaften wandeln, die eine Feinsteuerung der Prozesse möglich macht. Der Schritt zur geldpolitischen Planwirtschaft ist dann nicht mehr weit.
Die EZB ist bereits auf diesen Kurs eingeschwenkt und bereitet die Öffentlichkeit darauf vor, dass künftig nicht nur Asset-Backed Securities (ABS) und Unternehmensanleihen, sondern bald auch Staatsanleihen erworben werden, um ihre Bilanzsumme in die Höhe zu treiben. Null- und Negativzinsen reichen nicht mehr – jetzt geht es mit der Brechstange weiter. Inwieweit dieser Kurs die damit eigentlich umworbenen kreditgebenden Banken, Unternehmen und Privathaushalte womöglich eher abschreckt, weil die Verunsicherung ob derlei geldpolitischen Aktionismus eher noch zunimmt, wird nicht einmal diskutiert. Von den langfristigen Folgen für das Vertrauen in die Notenbanken, welches die Grundlage für eine stabile Währung darstellt, ganz zu schweigen.
Schon die Negativzinsen und die immense Liquiditätszufuhr zerstören das Grundvertrauen der Bürger in das Bankenwesen, warnte jetzt die Chefvolkswirtin der Helaba Gertrud R. Traud bei der Vorstellung des Kapitalmarktausblicks für 2015. Auch die Tatsache, dass die geldpolitische Liquidität der jüngsten Zeit eher in die Finanzmärkte abgeflossen und die Börsenkurse getrieben hat, dürfte viele Bürger verärgern. Denn davon profitieren in Deutschland bevorzugt die vermögenden Schichten, während in der Realwirtschaft und bei Otto Normalverbraucher wenig ankommt. Die Ungleichheit im Land wird also eher noch vergrößert. Auch die ständigen Vorhaltungen, dass sich Deutschland und Europa „zu Tode“ spare, stehe der gewünschten Aufbruchsstimmung entgegen, moniert Traud.
Dabei sitzt die Fiskalpolitik in Europa längst nicht mehr im Bremserhäuschen und zügelt die Konjunktur. Das geschieht derzeit eher in den USA, wie Traud nachweist. Und warum kommen die vielen besserwisserischen Ratschläge aus den angelsächsisch beeinflussten ökonomischen Kreisen dann trotzdem noch? Weil die Amerikaner eben „hemdsärmeliger“ sind, erklärt sich das Traud. Amerikaner wollten nicht abwarten und wirken lassen, sondern handeln. Vielleicht aber auch, orakelt die Chefvolkswirtin, „geben uns die Amerikaner nur doofe Ratschläge, damit Europa auch weiterhin schlechter dasteht als sie selbst“.