Geopolitische Verunsicherung setzt der Konjunktur zu

Blicken die Ökonomen auf die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal, so kommen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: 0,8 % Wachstum zum Quartal davor, gegenüber dem Vorjahr sogar ein Plus von 2,5 %. Außerdem wurde das Wachstum – lange Zeit untypisch für Deutschland – ausschließlich getragen von der Binnennachfrage. Die Kaufkraftgewinne durch deutliche Lohnsteigerungen, die Schaffung neuer Jobs und damit der Abbau der Arbeitslosigkeit haben den Konsum stimuliert. Zugleich erhöhte sich die Investitionsaktivität der Unternehmen. Der milde Winter verhalf ferner der Bauwirtschaft zu ungewöhnlich starker Performance zu dieser Jahreszeit. Der große binnenwirtschaftliche Nachfrageschwung konnte sogar kompensieren, dass der Außenhandel – ebenfalls eher untypisch für die deutsche Wirtschaft – eher bremsend auf das Wachstum einwirkte. Kurz: Der zuletzt immer wieder erhoffte selbsttragende Aufschwung hat sich im ersten Quartal tatsächlich eingestellt.

Mit den neuen Umfragedaten für das deutsche Geschäftsklima wurde den Hoffnungen, dass diese Wachstumskonstellation anhalten könnte, jetzt aber erst einmal ein Dämpfer versetzt. Die Stimmung der deutschen Unternehmen hat sich im Mai eingetrübt. Der vom Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung ermittelte Geschäftsklimaindex sank mit 0,8 Punkten stärker als erwartet auf 110,4 Zähler. Während sich die Lageeinschätzung nur um 0,5 Zähler verschlechterte, gingen die Geschäftserwartungen um fast mehr als einen Punkt zurück.

Diese Entwicklung bedeutet noch nicht, dass der Aufschwung nun zusammenfallen wird und sich zyklisch schon die nächste Rezession am Horizont abzeichnet. Vielmehr liegen die Indexwerte weiter deutlich im Aufschwungbereich. Konjunkturbeobachter sprechen denn auch lieber von „Normalisierung“, weil die deutsche Wirtschaft die starke Performance des ersten Quartals einfach nicht habe durchhalten können. Und Ifo-Chef Hans-Werner Sinn will eher von einer „Verschnaufpause“ reden. Die Unternehmen seien einfach nur „weniger optimistisch“.

Die Gründe für die Stimmungseintrübung sind vielfältig. Dabei ist die Verunsicherung durch die geopolitische Lage im Zuge der Ukraine-Krise sicher an erster Stelle zu nennen. Die Unternehmen sind deshalb einfach vorsichtiger geworden und halten sich mit Investitionsentscheidungen zurück. Eine Entspannung der Situation könnte sich dann später sogar in erhöhten Investitionsausgaben niederschlagen.

Auch die Lage in den Schwellenländern (Unruhen in Brasilien, trübere Wachstumsaussichten in China) lässt Unternehmer eher vorsichtig taktieren. Und auch die Enttäuschung über die schlechte Wirtschaftslage in Frankreich gepaart mit der eher kraftlosen Erholung in den Peripherieländern der Eurozone könnte eine Rolle gespielt haben.

Insgesamt ist vor diesem Hintergrund wohl mit etwas weniger Wachstum im Jahresverlauf zu rechnen. Der Aufwärtstrend aber scheint weiter intakt zu sein, weil vor allem der Privatkonsum als Wachstumstreiber erhalten bleibt wegen der zu erwartenden abermals deutlichen Lohnerhöhungen und der anhaltend niedrigen Zinsen.

„Selbst mit wieder spürbar moderateren Raten ist die Zwei vor dem Komma im Gesamtjahr 2014 sehr wahrscheinlich“, versichert KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Das seien sogar „erstaunlich gute Aussichten hierzulande“ angesichts der langsamen Stabilisierung in Europa und weiter ernster Risiken im internationalen Umfeld. Doch müsse die EZB nun beherzt gegen Deflationsrisiken vorgehen, um den Aufschwung zu verstetigen. Die damit einhergehende Abwertung des Euro würde dann für neuen Schwung sorgen.

Auch der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, zeigt sich gelassen: „Ein Beinbruch ist der Ifo-Rückgang nicht.“ Lothar Hessler von HSBC Trinkaus sagt: „Deutschland wächst wieder so schnell wie vor der Finanzkrise. Der Investitionsstau löst sich zunehmend auf.“ Die Aussichten für die nächsten Quartale seien „unverändert positiv“, betont Stefan Kipar von der BayernLB.