Geldpolitik

Die Feigheit der EZB vor der Politik

Für die einen ist es hohe Kunst, für die anderen Hexenwerk: Gleich mit einer ganzen Phalanx an geldpolitischen Maßnahmen geht die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die im Eurogebiet aufgekommenen deflationären Tendenzen sowie gegen die Kredit- und Wachstumsschwäche vor. Niedrigere Leitzinsen und ein negativer Einlagensatz sollen den Euro schwächen und die Konjunktur stärken, ein attraktiver, aber konditionierter Langfristtender die Kreditvergabe der Banken ankurbeln. Zudem wird der direkte Ankauf von Kreditpaketen (ABS) vorbereitet.

Der weitgehend auf unerprobtem Gelände stattfindende geldpolitische Rundumschlag der EZB dürfte in die Geschichtsbücher eingehen – falls das dahinterstehende Kalkül aufgeht! Und daran bestehen begründete Zweifel. Der mickrige Zinsschritt löst allenfalls einen Placeboeffekt aus, der Negativzins könnte sogar mehr schaden als nützen, wenn deswegen die Bankgebühren zulegen. Und der Markt für europäische ABS ist so klein, dass ein Ankauf von Papieren allenfalls symbolische Bedeutung hat. Die Wirkung auf die Realwirtschaft ist also eher begrenzt. Lediglich die Banken dürfen sich ungeteilt freuen, erhalten sie doch erneut billiges Geld für lau. Dabei herrscht an Liquidität kein Mangel.

Gleichzeitig begibt sich die EZB auf gefährliches Terrain: Denn die gebotene Kontrolle der Kreditkonditionen gebiert ein bürokratisches Monster. Fehlentscheidungen werden nicht ausbleiben und an der Glaubwürdigkeit der Notenbank nagen. Dabei ist diese das Zentrum ihrer Macht: Nur das Vertrauen der Marktteilnehmer und Eurobürger in die Neutralität und Unabhängigkeit der Notenbank hält die Geldordnung stabil. Wenn nun aber die EZB über die Kreditvergabe in die Realwirtschaft eingreift, durch ihre Geldpolitik viele Menschen um ihr Erspartes bringt, woran ganze Lebensentwürfe zerbrechen, zudem neue Unsicherheiten aufkommen, wird das Misstrauen sähen und ihre Instrumente abstumpfen lassen. Ganz abgesehen von dadurch heraufbeschworene Gefahren neuer Finanzblasen.

Die EZB hat zugleich eine gigantische Umverteilungsmaschinerie in Gang gesetzt. Das Bankenwohl steht an erster Stelle – und der Politik wird ein Freifahrtschein ausgestellt. Sie kann nun alle Reformanstrengungen fahren lassen. Die Eurobürger indes zahlen die Zeche. Es sind diese Rangordnung und die Feigheit der Notenbank, die Politik endlich durch geldpolitisches Stillhalten in die Verantwortung zu pressen, welche die größten Gefahren für die Eurozone darstellen.