EuGH: Der Blankoscheck

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Blankoscheck ausgestellt bekommen, künftig die Grenzen der Geldpolitik nach eigenem Gusto festlegen zu dürfen. Auch wenn das Plädoyer des Generalanwalts noch kein Richterspruch ist, kann die Notenbank jetzt hinsichtlich unkonventioneller Maßnahmen bis hin zu Anleihekäufen schalten und walten, wie sie möchte. Denn erfahrungsgemäß weicht das in einigen Monaten zu erwartende Urteil kaum vom Plädoyer ab.
Die wenigen „Bedingungen“ des EuGH sind – vielleicht mit Ausnahme der Forderung nach einem Ausscheiden der EZB aus der Troika – windelweich. Sie kann man als Argumentationskosmetik gerichtet an die Adresse der EZB-Kritiker abtun. Denn die Verpflichtung zu mehr Transparenz und mehr Stringenz in der Begründung unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen ist zügig formuliert. Zumal die Richter sich selbst aus der inhaltlichen Prüfung heraushalten wollen, wie sie selber angekündigt haben. Sie fühlen sich nämlich in geldpolitischen Dingen nicht kundig genug, um die Wirkung von EZB-Maßnahmen abschätzen zu können. Bloß komisch, dass sie sich in anderen Rechtsfragen sehr wohl eine Einschätzung zutrauen, die schon oft zu recht umstrittenen Urteilen geführt hat. Zugleich halten sie sich aber für kompetent genug für die Feststellung, dass das OMT-Programm durchaus geeignet sei, den Krisenstaaten die Wiedererlangung „einer gewissen finanziellen Normalität“ zu ermöglichen. Was stellen sie sich bloß unter „Normalität“ vor? Das Aushebeln von Marktmechanismen?

Jetzt liegt es allein beim Bundesverfassungsgericht, den Kulturwandel der Notenbanker von Währungshütern hin zu Fiskalhütern noch zu bremsen. Doch die Möglichkeiten der Karlsruher sind begrenzt. Sie können allenfalls das Handeln der Bundesbank beeinflussen – und die Bundesregierung zu einer Neuverhandlung der EU-Verträge zwingen. Letzteres würde aber angesichts der aktuellen antieuropäischen Strömungen gleich den Bestand der Eurozone aufs Spiel setzen. Es ist deshalb zweifelhaft, ob das Bundesverfassungsgericht dieses Risiko eingehen würde. Zumal sowohl Vertragsneuverhandlungen als auch die Hinnahme eines unbequemen Urteils wohl aufs Gleiche hinauslaufen: seine Entmachtung. Entweder den deutschen Richtern wird die Oberhoheit der Luxemburger Kollegen vertraglich aufgezwungen, oder sie erkennen sie faktisch an. Die Bundesbank als Institution hat diesen Erkenntnisprozess schon hinter sich.