Wehret den Anfängen!

Unter dem Schlagwort der „Share Economy“ kommt in jüngster Zeit eine besondere Form des Gutmenschentums zur Entfaltung: Die Taxi-App Uber oder die digitale Wohnungsvermittlungsagentur Airbnb geben zwar vor, letztendlich altruistische Ziele zu verfolgen, wenn sie Autofahrer zu professionellen Mitfahrgelegenheiten oder Wohneigentümer zur Untervermietung von Schlafstätten animieren. Schließlich hätten alle Teilnehmer Vorteile von dieser Form des Wirtschaftens, sagen sie, weil sie entweder Nebeneinnahmen generieren können oder zu viel günstigeren Preisen Dienstleistungen in Anspruch nehmen können als auf herkömmliche Art. Diese Entwicklung muss gar nicht schlecht sein. Der Freiraum dafür sollte nicht zu früh und zu drastisch beschnitten werden, weil sie eine Form der Schumpeterschem schöpferischen Zerstörung in einer Marktwirtschaft darstellt.

Zugleich sollte aber klar sein, dass diese neuen Geschäftsmodelle keine Wohltätigkeitsveranstaltungen sind. Vielmehr verbergen sich dahinter enorme Renditemaschinen, von denen in erster Linie die Eigentümer dieser Vermittlungs-Apps profitieren. Zudem werden, wie zuletzt DGB-Chef Reiner Hofmann im Spiegel-Interview kritisierte, dabei auch traditionelle Geschäftsplattformen eingeebnet, um die herum Politik und Justiz, Arbeitgeber und Gewerkschaften ein filigranes Netz von Geboten und Verboten aufgebaut haben, das schützt und regelt, Risiken verteilt und Verantwortung zuschreibt. Die neue Ökonomie aber wälzt etwa (Versicherungs-)Risiken auf Anbieter und Kunden ab, lässt den „Veranstalter“ außen vor, rechtliche Bestimmungen und Regulierungen werden schlicht negiert, was in einigen Fällen zur Selbstausbeutung von Marktakteuren führt. Politik und Justiz stehen hier in der Analyse dieser Entwicklung und in der Reaktion auf ihre Folgen noch ganz am Anfang.

Mit der jetzt anstehenden Unterzeichnung des Freihandelsabkommens der EU mit Kanada (Ceta) könnte die Debatte nun aber jetzt eine zusätzliche Schärfe erhalten, zumal mit den USA ein vergleichbares Vorhaben (TTIP) ähnlicher Struktur angestrebt wird. Denn in dem Vertragswerk sind die schon länger umstrittenen Investitionsschutzklauseln eingebettet (und offenbar von den EU-Verhandlungsführern akzeptiert) worden, die Konzernen unter Umgehung der nationalen Rechtsinstanzen die Anrufung eines privaten Schiedsgerichts ermöglichen. Damit können sie etwa Staaten verklagen, wenn diese Gesetze zum Schutz ihrer Bürger verabschieden, weil den ausländischen Unternehmen damit womöglich Renditechancen entgehen. Da die „Share Economy“ gerade dabei ist, das ganze Sozialsystem der Staaten aus den Angeln zu heben und die Politik hier über kurz oder lang regulierend reagieren wird, ist schon jetzt absehbar, dass sich dies ein ganzes Heer von Anwälten vorknöpfen wird, zumal die hinter Uber und Airbnb stehenden Investoren hier sicher alle rechtlichen Instrumente auffahren werden, die es gibt. Die globale agierenden Anwaltskonzerne hätten damit ein regelrechtes El Dorado vor Augen. Der Sozialstaat dürfte angesichts solcher ökonomischer Paralleljustiz und angesichts der ganzen Kapitalmacht der Konzerne wohl den Kürzeren ziehen. Deshalb: Wehret den Anfängen!!!