Überfällig: Steuerpolitik fürs digitale Zeitalter

Von Stephan Lorz

Neulich im Pendlerzug nach Frankfurt: Diskussion mit einem Volkswirt. Tenor: Unser Steuersystem ist viel zu kompliziert geworden und produziert deshalb immer mehr Ungerechtigkeiten. Steuervereinfachung, mehr Pauschalisierungen und mehr Freibeträge seien unbedingt nötig. Der Aufwand zur Herstellung einer wie auch immer definierten „Gerechtigkeit“ sei immens, Folgewirkungen von Eingriffen überhaupt nicht mehr zu überschauen, gut gemeinte Korrekturen liefen oft aufs Gegenteil hinaus. Letzten Endes würden ja trotzdem nur einzelne Gruppen bevorzugt – und bezahlen müsste jene „Verbesserungen“ ohnehin stets die Mittelschicht. Das Ganze sei obendrein eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Steuerbürokratie und für Anwälte.

Neulich im Pendlerzug zurück nach Aschaffenburg: Diskussion mit einem Anwalt. Tenor: Nein, das Steuersystem sei nicht zu kompliziert. Das sei vielmehr unserer komplexen Gesellschaft geschuldet und eine Folge der politischen Aufgabe, das Steuersystem möglichst gerecht für alle auszugestalten. Pauschalisierungen würden den vielen Einzelfällen ebenso wenig gerecht, wie Vereinfachungen, weil dann nötige Differenzierungen verloren gingen. Und dass sich mit der steigenden Komplexität immer wieder Steuerschlupflöcher auftun würden, sei letztlich nur dem Umstand geschuldet, dass die Bestimmungen nicht wasserdicht formuliert würden, zu wenig an Interpretationen und Folgewirkungen gedacht werde. Der Grund: In der Staatsbürokratie und beim Fiskus fehle schlicht das nötige exzellente Personal dafür. Steuerexperten würden im Staatsdienst eben nicht so gut bezahlt wie in der freien Wirtschaft, weshalb man in letzterer dem Fiskus immer einen Schritt voraus sei.

Eine andere Erklärung: Bürokratie nährt die Bürokratie. Und im Deutschen Bundestag ist ein Berufstypus nun Mal besonders stark vertreten: Beamter und Jurist in Personalunion. Aber sind die Repräsentanten der Unternehmen so viel besser? Viele Berater aus der freien Wirtschaft sind schließlich direkt in den Ministerien zugange; und obendrein wimmelt es dort auch von Lobbyisten. Die warnen schon im Vorfeld neuer Steuergesetze vor dramatischen Folgen für die Gesellschaft (Arbeitsplätze etc.). Aber das Gemeinwohl haben sie dort wohl weniger im Blick als auftragsgemäß das Wohl ihrer Financiers. Auch das Einknicken der Politik vor solchem Lobbyismus trägt zur beklagten Komplexität bei und erschwert jede Steuerreform.

Aber die Zeit drängt. Eine Steuerdiskussion ist angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen von Digitalisierung, der Macht von Algorithmen und der Plattformökonomie (Facebook, Youtube etc.) überfällig. Vor vielen Jahren hatte man damit – gewiss unter anderen Voraussetzungen – schon einmal interessante Ansätze hervorgebracht. Stichwort: Bareis-Kommission, Kirchof’sches Steuergesetzbuch, Negativsteuer, konsumorientiertes Steuersystem. Die Politik zeigte sich aber schon damals wenig beeindruckt und aufnahmefähig. Die meisten Vorschläge wurden zerredet, verwässert und als weltfremd gebrandmarkt. Zumindest hatten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis seinerzeit aber den Mut aufgebracht, für die Staatsfinanzierung eine neue zeitgemäße Grundlage zu entwerfen und dies auch öffentlich kundzutun.

Ein solcher Versuch wäre heute wichtiger denn je – nicht zuletzt wegen der Verschiebung der Wertschöpfung hin zu Kapitalinvestitionen und zu virtuellen Gütern. Dies zerstört nämlich sukzessive die Finanzierungsgrundlagen des Steuer- und Sozialstaats. Einseitig belastet werden alle immobilen Personen und Unternehmen, die an der Scholle gebunden sind (als Investor, als Unternehmer und als Arbeitnehmer), während die virtuellen Wertschöpfungsquellen und ihre Geldgeber sich ihren Besteuerungsort quasi frei aussuchen können. Und immer wieder neu gegen die auf diese Weise mögliche Steuervermeidung und -verlagerung vorzugehen, gegen die digitalen Plattform- und Profitmaschinen wie Amazon, Google, Facebook & Co. ins Feld zu ziehen, ohne ein grundlegendes Konzept vor Augen, ist letzten Endes zum Scheitern verurteilt.

Es ist daher an der Zeit, die Blockaden gegen eine große Steuerreform durch festgefahrene Gruppeninteressen und Verhaltensweisen sowie die Bequemlichkeit und Desinteressiertheit der Politik endlich aufzubrechen. Ansonsten erodieren die Finanzgrundlagen des (Sozial-)Staats wegen der Digitalisierung, der rasanten Automatisierung (Roboterisierung) der Wirtschaft sowie der zunehmenden Hegemonie von Plattformökonomien und künftigen Dominanz Künstlicher Intelligenz (KI).

Nebenbei bemerkt: Nicht nur in der Steuerpolitik fehlt es an grundlegenden öffentlichen Debatten als Reaktion auf die sich rasant verändernden Rahmenbedingungen. Das trifft auch die Politik selbst, wo Reformen dafür Sorge tragen müssten, um die Voraussetzungen für und das Funktionieren von Demokratie in einer Zeit der Hassreden, Echokammern und Desinformation in den Sozialen Medien zu gewährleisten. Mehr denn je ist hier die öffentlich finanzierte Wissenschaft aufgerufen, den politischen Repräsentanten Ideen anzubieten, wie die Transformation von analogen in die digitale Marktwirtschaft und von Versammlungsparteien in Wirtshaus-Hinterzimmern zu modernen Plattformparteien gelingen kann, die auch im Cyberraum als „modern“ wahr- und ernstgenommen werden.

Digitaler Imperialismus

Von Stephan Lorz

Google, Apple, Facebook und Amazon durchdringen immer mehr Schichten der Wirtschaft und legen sich zwischen Konsument und Hersteller. Dass die Google-Tochter Wymo, die das autonome Fahren erforscht, nun an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Internationale Autoausstellung in Frankfurt eröffnen durfte, ist ein untrügliches Zeichen, dass die etablierten Hersteller immer weiter in den Hintergrund gedrückt werden. Die US-Digitalkonzerne übernehmen das Steuer. Auch in der Unterhaltungsindustrie, im Handel, selbst in der Finanzindustrie und sogar der Geldpolitik (Stichwort: Libra) geht das in diese Richtung. Erst jetzt wachen die Kartellwächter auf — in den USA, aber langsam auch in Europa. Wie konnte es so weit kommen?

Man stelle sich vor: der Burda-Verlag hätte es vor Jahren darauf angelegt zu einem deutschlandweiten Nachrichtennetzwerk zu werden und sich dabei immer mehr andere Nachrichten- und Blogseiten einverleibt. Hätte das Kartellamt dabei stillgehalten? Wohl kaum! Bei verschiedenen kleineren M&A-Vorhaben in der Branche hatte sich das ja immer wieder gezeigt. Oder der Versandhändler Quelle hätte seinerzeit einen europaweiten digitalen Marktplatz aufgezogen, wo er zudem geduldet hätte, dass es manche Händler mit Zöllen, Steuern und Markenrechten nicht so genau nehmen. Die Entrüstung wäre riesengroß gewesen, die Politik hätte sich eingeschaltet. Und neben dem Kartellamt wären auch sofort Zoll- und Steuerbehörden tätig geworden. Ermittlungen, Anklagen, einstweilige Verfügungen. Oder man halte sich vor Augen, die Deutsche Schufa hätte ihre Datensammelaktivitäten schon vor Jahren auf jegliche Adressen ausgeweitet; oder die Telekom hätte sich als machtvoller Anbieter und Suchmaschinenbetreiber etabliert und obendrein in jedem Haushalt ihre Internet- und WLan-Box so verändert, dass sie auch Sprachbefehle entgegennimmt für Bestellungen und Serviceanfragen. Und obendrein wären die aufgefangenen Audiofiles von Heimarbeitern von zu Hause auf Verwertbares durchforstet worden — natürlich nur um den Algorithmus zu verbessern. Nicht auszudenken! Längst wäre die Regulierungsbehörde aktiv geworden, hätten die Datenschutzbehörden eingegriffen. Von Entbündelung und Beschränkungen wäre die Rede gewesen. Oder die einst stolze Deutsche Bank hätte sich vor Jahren erdreistet, aus Zweifel an der Stabilität des Euro eine digitale Bündelwährung zu emittieren aus Dollar, Yuan, Pfund und Rubel …

Machen das aber amerikanische Digitalkonzerne, fehlt es am öffentlichen Aufschrei oder weitgehend an behördlichen Eingriffen — allenfalls kommen sie verzögert, abgeschwächt, hadernd, geradezu entschuldigend, dass man sich hierzu erdreistet. Die Beißhemmung ist offensichtlich. Zumal manche gesellschaftliche Gruppierungen das Verhalten der Digitalkonzerne sogar noch gegen alle Regulierungsversuche verteidigen, weil sie diese Unternehmen als Hort der digitalen Freiheit hochstilisieren, während sie den Behörden und Institutionen des demokratischen Staates nur Missgunst und Obstruktion unterstellen. Eine Haltung, die sich vielleicht auch daraus speist, weil die US-Konzerne ihre Dienste (zumindest auf den ersten Blick) weitgehend kostenfrei anbieten. Geiz ist eben geil, er vernebelt die Sinne in freiheitlichen Demokratien und lässt die Menschen falschen Propheten hinterherlaufen.

Wann begreifen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eigentlich, dass sie hier nicht altruistisch motivierten Digitalkonzerne in die Hände spielen, sondern Freiheit und Wettbewerb, ja die Zukunft der europäischen Gesellschaften aufs Spiel setzen. Denn derzeit ist eine tektonische Verschiebung im Hinblick auf Macht und Deutungshoheit in unserer Gesellschaft im Gange — was auch auf die Verteilung der Chancen und künftigen Profite durchschlägt?

Zu lange wurden Google, Facebook & Co. das Spielfeld überlassen. Zunächst mit dem Argument, den neuen (Internet-)Markt nicht von Anfang an kaputt regulieren und Innovationen nicht gleich ersticken zu wollen. Als die Big-Tech sich dann immer mehr kleinere Wettbewerber einverleibten und zu kritischer Größe herangewachsen waren, hatte man notwendige Eingriffe unterlassen — wieder im Vertrauen darauf, dass der Wettbewerb schon für die Einhegung sorgen und verhindern wird, dass sie zu oligopoler Größe heranwachsen. Schließlich sei ja auch von den einstigen Größen AOL, Compuserve oder Netscape keine Rede mehr, wurde etwa argumentiert.

Erst als die Digitalkonzerne dann begannen, sich sogar über die nationalen Rechtssysteme hinwegzusetzen etwa beim Umgang mit Hassreden und dem Datenschutz, sich zudem die internationale Fragmentierung des Steuersystems zunutze machten, wachten die staatlichen Akteure auf. Doch die Skepsis unter Ökonomen und Internetaktivisten gegen jegliche Regulierung ist nach wie vor groß. Erst in jüngster Zeit setzte bei den tonangebenden liberalen Wettbewerbspolitikern ein Umdenken ein. Doch inzwischen ist es den Digitalmächten ein Leichtes, die politische Meinungsbildung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Sie schieben vor, die Freiheit im Internet zu verteidigen und agitierten zuletzt etwa gegen die Datenschutzgrundverordnung oder die neuen Urheberrechtsgesetze — und wissen dabei die jungen Menschen auf ihrer Seite, denen vorgegaukelt wird, dass ihnen die Politik das kostenfreie Internet kaputtmachen will.

Letztlich ist es die Geschichte einer ökonomischen Machtübernahme. Das Laissez Faire einer freiheitlichen Marktwirtschaft wird ausgenutzt zur Etablierung der eigenen Machtposition. Die Digitalkonzerne hatten erkannt, dass sie in der Übergangszeit zwischen analoger und digitaler Wirtschaft und Gesellschaft eine einzigartige Chance haben, das Koordinatensystem in Politik und Wirtschaft zu ihren Gunsten zu verändern. Denn mit der Digitalisierung organisiert sich auch die ökonomische und politische Basis neu. Abhängigkeiten, Machtzentren, sozioökonomische Wechselwirkungen und politische Kräfteverhältnisse verschwinden, entstehen anderswo neu — obendrein sind viele Mechanismen und Wechselwirkungen nicht von Anfang an gleich erkennbar, da sich alles irgendwie in Veränderung befindet. Der Überblick und die strukturelle Ordnung gehen verloren. Sogar Begrifflichkeiten wie „Freiheit“ (des Andersdenkenden?) und „Freunde“ (Gefällt mir!) und „Recht“ (wessen Regeln?) bekommen neue Facetten oder werden umdefiniert. Das macht es leicht, im Wind des Innovationstreibers, des Verteidigers der Redefreiheit und des zurückgezogenen Dienstleisters (man stellt ja nur Netzwerke und Plattformen zur Verfügung, ist nicht für deren Inhalte verantwortlich) zu kritischer Größe heranzuwachsen und die obwaltenden Netzwerkeffekte für sich arbeiten zu lassen.

Mit der ökonomischen Umgestaltung kommt zudem ein Faktor hinzu, der die Machtposition der Digitalkonzerne nahezu uneinnehmbar macht. Denn die Digitalisierung der Wirtschaft ermöglicht es ihnen, sich als eine Art Betriebssystem überall dazwischen zu schieben: Nicht nur zwischen Kunden und Händler/Hersteller (Amazon/Händler, Facebook/Verlage, Google/Auto), sondern auch auf jeder Produktionsstufe, sofern die Unternehmen nur bereit sind, die kostenlosen Angebote diverser Tools annehmen. Obendrein drängen viele Kunden der (analogen) Produkte massiv darauf, die gewohnte digitale Umgebung von Google oder Apple auch auf den Displays in den Autos, auf den Haushaltsgeräten oder Uhren nutzen zu können. Die Daten, die aus dieser “Verbindung” gewonnen werden, sind unvergleichbar wertvoll und machen die etablierten Unternehmen abhängig von den Launen und dem Geschäftsgebaren der Digitalkonzerne.

Und nun Facebooks Idee einer eigenen globalen Digitalwährung: dem Libra! Zum Glück, möchte man sagen, kommt sie womöglich zu früh, und zeigt die ganze Hybris des Konzerns, der sich vielfach nicht nur über dem (nationalen) Recht fühlt, sondern sogar als Globalmacht versteht. Die eigene Währung — selbst, wenn sie nur in Operettenstaaten und in Schwellenländern erfolgreich wäre — würde dem Konzern enorme Macht verleihen und Datenmaterial in einer Größenordnung liefern, das die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und von Instrumenten der sozialen Beeinflussung nach vorne katapultieren würde. Dem könnten viele demokratische Gesellschaften dann nicht mehr viel entgegensetzen. Erst vor einiger Zeit wurden Pläne diskutiert, ob die großen Digitalkonzerne sich womöglich ganz von der schnöden traditionellen Politik und Gesellschaft freimachen könnten, wenn sie ihr Hauptquartier auf internationalen Hoheitsgewässern schwimmen lassen oder in die Tiefsee verfrachten würden.

Die Libra-Idee führt vor Augen, wie sich die Digitalkonzerne womöglich selbst sehen: als neuer Hegemon in einer pluralen und multipolaren Welt, deren Einzelstaaten und Staatenbünde sich angesichts globaler Herausforderungen selbst im Wege stehen. Weltkonzerne haben es da leichter, weil sie sich nicht ständig vor dem Souverän rechtfertigen müssen. Der “Interessenausgleich” erfolgt in Form eines Vorstandsbeschlusses. Und sie haben auch nur ein Ziel: nachhaltig Gewinne erwirtschaften! Und diesem Ziel wird alles untergeordnet.

Es wird Zeit, dass Deutschland und Europa ernsthaft und mit der nötigen Chuzpe darüber diskutiert, wie sie mit den Digitalkonzernen verfährt, wie sie diese behandelt, mit den dort geschürften Daten umgeht und wie sie das analoge Rechtssystem auf die virtuelle Welt überträgt. Denn die analogen Regeln sollten eigentlich auch in der digitalen Welt gelten. Alle digitalen Entscheidungen und Verhaltensweisen entfalten schließlich auch ihre Wirkung in der realen Welt, betreffen Menschen und deren unveräußerlichen Rechte. Nur die Formen der Eingriffe müssen angepasst werden. Hier sind auch die Digitalaktivisten, Juristen und Ökonomen in der Verantwortung, zusammen mit der Politik nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Denn es geht um nichts weniger als die Modernisierung des Gesellschaftsvertrags.

Hier könnte, ja hier muss Europa vorangehen, weil es die Kunst des Kompromisses im komplexen Beziehungsgeflecht europäischer Parteienfamilien, Staaten und Kulturen über viele Jahre geübt hat — und die Mitgliedsländer trotz immer neuer Herausforderungen letztlich parlamentarische Demokratien und freiheitliche Marktwirtschaften geblieben sind. Und eine ganzheitliche Sicht der Dinge ist auch die einzige Möglichkeit, um den Hegemonialinteressen der großen Digitalkonzerne entgegenzutreten ohne das Klima in der Internetgesellschaft zu vergiften. Dann erscheint sogar eine Zerschlagung der großen Konzerne möglich wie seinerzeit bei AT&T — oder die Zwangsöffnung für weitere Anbieter (wie im Telekommunikationsmarkt). Angesichts jüngster kartellpolitischer Entwicklungen in den USA scheint ja diesbezüglich schon ein Umdenken stattzufinden.

Zukunftsvergessenheit als Parteiprogramm

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die Klage über Politikverdrossenheit und das Aufkommen populistischer Parteien jenseits des etablierten Spektrums ist vielgestaltig. Diesbezüglich wurden schon viele tiefenpsychologische Analysen der heimischen Seele angestellt, wird immer wieder die deutsche Historie bemüht oder muss die aktuelle Debatte über soziale Ungleichheit als Erklärungsansatz herhalten. Allerorten suchen Politologen und Politiker nach einem Rezept, um die Menschen wieder mit dem politischen System und seinen Vertretern zu versöhnen. Doch die Gründe für die Krise des politischen Systems sind viel offenkundiger als es die hochkomplexen Analysen vermuten lassen: Ein Blick auf das aktuelle politische Geschehen in der Großen Koalition reicht bereits, um eine Diagnose zu wagen. Denn letztlich geht es um gebrochene politische Versprechen, um das Auseinanderfallen zwischen Wort und Tat, um Klientelpolitik und um Machterhalt um des Amtes willen – im Kern letztlich um die politische Glaubwürdigkeit, die über Jahre verspielt worden ist. Nur eine Verhaltensänderung der politischen Parteien und ein Kulturwandel im politischen Betrieb können die Entwicklung aufhalten und zurückdrehen.

Der jüngste Schub für den Glaubwürdigkeitsverlust: In Interviews und in diversen Verlautbarungen verspricht die Politik den Deutschen eine Digitalisierungsoffensive , um den internationalen Rückstand endlich aufzuholen, man zelebriert den zwischen Bund und Ländern vereinbarten „Digitalpakt“, damit die Schulen endlich Anschluss an das digitale Zeitalter finden, und es werden hohe Geldsummen ins Schaufenster gestellt, die der Bund in die Künstliche Intelligenz investieren will. Und natürlich soll auch der Verteidigungshaushalt – wie international eigentlich versprochen – angehoben werden, damit Deutschland seine sicherheitspolitischen Verpflichtungen erfüllen kann. Insofern sieht es gut aus für die Zukunft unserer Gesellschaft, weil die notwendigen Investitionen vorgenommen werden, damit das Wirtschaftswachstum auch künftig gesichert ist, aus dem Infrastruktur, Soziale Sicherung und das Wohlergehen der Staatsbürger finanziert wird.

Doch auf der Arbeitsebene sieht es dann ganz anders aus. Hier geht es wie immer zunächst um die Einlösung der vielen sozialpolitischen Versprechungen, die stets Vorrang hatten – und offenbar auch haben wie die „Respektrente“. Und plötzlich, so lässt Bundesfinanzminister Scholz (SPD) verlauten, ist für die Zukunftsinvestitionen leider, leider kein Geld mehr da: nichts für KI, die Digitaloffensive bleibt stecken, und für den Digitalpakt steht weniger bereits als ausgemacht. Selbst an der Integration der Zuwanderer – ein entscheidender Punkt für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft – wird gespart. Und natürlich müssen auch die verteidigungspolitischen Ausgaben gekürzt werden. Die Hoffnung auf eine Zukunftsoffensive zerplatzt. Nicht nur Wirtschaftsvertreter sind enttäuscht, sondern auch alle (jungen) Menschen, denen etwas an nachhaltigem Wachstum und einer gedeihlichen Entwicklung liegt.

Die politische Absicht ist klar: es geht um Wählergruppen, die mit den sozialpolitischen Segnungen gewonnen werden sollen. Doch selbst die Profiteure dieser Politik dürften sich ob der darin zum Ausdruck kommenden Zukunftsvergessenheit von den handelnden Parteien abwenden. Denn auch sie wissen, dass nur eine richtige Balance aus Sozialausgaben und Investitionen den Staatshaushalt langfristig zahlungskräftig halten kann; auch sie haben Kinder, denen daran liegt, dass diese kein ökonomisch kaputtes Land übernehmen müssen.

Man fragt sich, wie es passieren kann, dass sich die Politik einer solch kurzfristigen Denkweise befleißigt. Wie können die Unionsparteien, die sich sonst gern als Erbe der Erhard’schen Wirtschaftspolitik sehen, einen solchen Kurs zulassen? Und wie kann die ehemalige Arbeiterpartei SPD, die über Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter doch eigentlich tief in der Realwirtschaft verwurzelt ist, auf die Idee kommen , dass es nur noch um das Hier und Jetzt und nicht mehr um das Morgen geht in der Politik?

Es ist die Ideologisierung allen Tuns in Berlin und den Abgeordnetenhäusern. Zu sehr schmoren die politischen Akteure im eigenen Saft, speisen sich aus staatsnahen Berufsgruppen und der Beamtenschaft. Viele Politiker, die in kommunaler Verantwortung stehen, wissen, dass es ohne die nötige Erdung nicht geht, wissen ob der Gründe, die „Wutbürger“ hervorbringen – und ecken mit ihren Ansichten deshalb zunehmend im politischen Betrieb an. Wenn die etablierten Parteien die Wähler zurückgewinnen will, müssen sie in ihre Glaubwürdigkeit investieren. Und das geht nicht ohne Ehrlichkeit und einen politischen Kulturwandel.

Reale und gefühlte Ungleichheit

Deutschland ist Globalisierungsgewinner, dennoch werden Freihandel und Markt kritisch gesehen

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Der Globalisierungsreport 2018 der Bertelsmann-Stiftung lässt keinen Zweifel zu: Deutschland gehört zu den Ländern, die am meisten von der Globalisierung profitieren (6. Platz). Das Bruttoinlandsprodukt habe sich zwischen 1990 und 2016 infolge von mehr Freihandel, internationaler Verflechtung und Spezialisierung hierzulande um jährlich 1 150 Euro pro Kopf erhöht, so der von Prognos erstellte Bericht. Der Wohlstand der Deutschen ist durch die Globalisierung also gestiegen.

Und dennoch: Blickt man auf die politische Diskussion, scheint es, als ob es durch die Weltoffenheit mehr Probleme als Lösungen gibt. Von einer zunehmenden sozialen Ungleichheit ist die Rede – trotz rekordhoher Beschäftigung, enormer staatlicher Umverteilung und steigender Lebensqualität. Die Menschen fanden sich sogar zu Massendemonstrationen zusammen, um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zu stoppen – und haben es geschafft. Die Parteien aus dem linken wie rechten Spektrum wollen gar die Europäische Union zurechtstutzen. Der Brexit ist das Fanal für diese diffuse Unzufriedenheit breiter Bevölkerungskreise in den westlichen Ländern.

Was ist die Ursache für dieses gesellschaftliche Aufbegehren? Lässt sich der Unmut auch anhand von Fakten begreifen? Oder ist er eher Ausdruck einer soziologischen Befindlichkeitsstörung, die sich vor allem aus den Filterblasen der sozialen Medien speist und dann eine Eigendynamik entwickelt hat?

Tatsache ist, dass die Globalisierung global betrachtet eine enorme Armutsreduzierung bewirkt hat. Die Ungleichheit zwischen den Ländern wurde verringert, gemessen am Gini-Koeffizienten, der die Einkommensverteilung darstellt (siehe Grafik). Vor allem in den Schwellenländern wächst die Mittelschicht rasant, wird die Armut zurückgedrängt.

Der Aufstieg dieser Länder wurde allerdings auch erkauft durch Jobverlagerungen von den Industrieländern – wegen der Marktnähe und günstigerer Produktionskosten. Anfangs konnte der Jobverlust in den entwickelten Staaten noch durch den wachsenden Exportmarkt und durch Spezialisierung der Volkswirtschaften kompensiert werden. Doch ist ein gewisses Maß an Globalisierung erst einmal erreicht, zeigt eine Studie von Valentin Lang von der Universität Zürich und Marina Mendes Tavares vom Internationalen Währungsfonds (IWF), vermindern sich die Wohlstandszuwächse. Und was noch wichtiger ist: Sie kommen dann zudem weniger den unteren Einkommen zugute als den Besserverdienenden. Das, so Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank, lässt die Ungleichheit noch stärker ansteigen.

Sorgen in der Bevölkerung

Solche Mechanismen bestärken natürlich das Gefühl in der Bevölkerung von Industrieländern, benachteiligt zu werden. Objektiv ist seit den 1980er Jahren auch durchaus ein starker Zuwachs an Ungleichheit zu messen; eine Entwicklung, die zuletzt wieder weitgehend zum Stillstand gekommen ist. Nach wie vor aber gilt, was selbst der französische Ökonom Thomas Piketty, der von vielen Globalisierungskritikern als Kronzeuge einer ungerechten Weltordnung angeführt wird, bestätigt: Nirgendwo gibt es so wenig Ungleichheit wie in Europa. Der Anteil der obersten 10 % der Bevölkerung am Gesamteinkommen liege auf dem Kontinent bei 37 %, in Kanada, USA, Russland und China zwischen 41 und 47 %.

Daher hält es auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), für falsch, dem „Wirtschaftssystem“ eine Mitschuld an den Verhältnissen zu geben. Es sei vielmehr Aufgabe der nationalen Politik, die Profite der Globalisierung in die richtigen Bahnen zu lenken. Zu oft werde „die Globalisierung aber zum Sündenbock für eigene Fehler gemacht“. Um die Globalisierung einzuhegen, sollte man laut Fratzscher aber nun nicht eine egalitäre Gerechtigkeit zum Ziel haben, sondern müsse die Chancen- und Leistungsgerechtigkeit fördern. Und das habe viel mit Bildung und Infrastruktur zu tun.

Seit einigen Jahren haben das auch der IWF und die Industrieländerorganisation OECD erkannt, die früher auf schlichtes Wachstum und Freihandel gesetzt haben in der Hoffnung, dass der Markt schon für eine effiziente und irgendwie gerechte Verteilung sorgt. Sie selbst fordern nun mehr „Inclusive Growth“. Zu wenig habe man auf die Frustration der Verlierer und Abgehängten geachtet, heißt es selbstkritisch. Und die soziale Umverteilung sei vor allem als Störfaktor im Marktgeschehen betrachtet und entsprechend gegeißelt worden, statt ihre befriedende Funktion zu würdigen. Das spiele jetzt den Extremisten jeder Couleur in die Hände.

Steuerhoheit untergraben

Die „Sozialreparatur“, auf die man nun setzt, kann aber nicht mit dem nötigen Drehmoment in Gang gesetzt werden. Zum einen sind die Staaten vielfach bereits überschuldet, zum anderen wird ihre Steuerhoheit zusehends durch die Digitalisierung untergraben, weil die Profite der großen Digitalkonzerne im virtuellen Raum verschoben werden. Zudem kommt ein neues Problem auf die Staaten zu: Jobverluste durch Digitalisierung und Roboterisierung, was den Sozialstaat unter zusätzlichen Druck setzt. Denn durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz werden selbst Berufe überflüssig, die bisher vor Automatisierung sicher schienen.

In den USA drohen einer Studie der Universität Oxford zufolge, bis 2030 fast die Hälfte der Jobs wegzufallen. In Deutschland, so die Ökonomen der ING-DiBa, könnten von den rund 31 Millionen sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten rund 18 Millionen durch Roboter und Software ersetzt werden. Automatisierung gab es zwar schon immer. Auch die Webstühle ersetzten massenweise Arbeitsplätze. Völlig unklar aber ist, wo die neuen Märkte entstehen, die als Kompensation dienen könnten. Und selbst wenn Hoffnung naht – in der Übergangszeit dürfte eine Wirtschaftskrise politische Tumulte mit sich bringen, die an den Grundfesten der Gesellschaftsordnung rütteln.

Hinzu kommt, dass Automatisierung und Digitalisierung die soziale Ungleichheit strukturell noch weiter befeuern. Das The-winner-takes-it-all-Prinzip bei digitalen Netzwerken lässt Superstar-Firmen hochkommen zulasten aller anderen Akteure auf dem Markt, wie die Ökonomen der Bertelsmann-Stiftung warnen. Das geht nicht nur mit einem Verlust von Jobs einher, sondern Studien zufolge auch mit einem Rückgang der Lohnquote. Der einflussreiche und liberale Ökonom Tyler Cowen geht davon aus, dass künftig eine Elite von 10 bis 15 % der Erwerbstätigen alle globalen Produktionsprozesse leiten wird; die Fachkenntnisse dieser Elite reichten aus, um die intelligenten Maschinen und Roboter weiterzuentwickeln und weltweit zu steuern. Der US-Ökonom Jeremy Rifkin warnt schon seit Jahren: „Wir vollziehen gerade einen Wandel hin zu einem Markt, der zum allergrößten Teil ohne Arbeitskraft funktioniert.“

Grundeinkommen als Lösung?

Doch wer soll die Produkte überhaupt kaufen, wenn immer mehr Schichten verarmen und sich die Gadgets der modernen Technikwelt nicht mehr leisten können – ganz abgesehen von der politischen Sprengkraft, die heute schon die Armuts- und Ungleichheitsdiskussion entfaltet?

So manche Digital- und Technikkonzerne favorisieren die Etablierung eines bedingungslosen Grundeinkommens, sagen aber nicht, woher das Geld hierfür genommen werden soll (zumal sie sich selbst gerne der Steuerpflicht entziehen). Frank Rieger vom Chaos Computer Club schlägt daher eine Steuer vor, wie sie schon einmal in den 1970er Jahren als „Maschinensteuer“ hochgekommen ist: „Wenn uns Roboter und Algorithmen in der Arbeitswelt ersetzen, sollten sie auch unseren Platz als Steuerzahler einnehmen.“ Hieraus könnten dann die sozialen Sicherungssysteme alimentiert werden. Eine solche Steuer ließe sich aber nur international konzertiert durchsetzen, weil ansonsten die heimische Wirtschaft im Kostenwettbewerb den Kürzeren ziehen würde. Sie ist also sehr unwahrscheinlich.

Verantwortung der Politik

Eine andere Möglichkeit wäre ein Neustart in der Bildungspolitik. Die gerne in Talkshows und Sonntagsreden verbreiteten Rezepte müssten dafür endlich umgesetzt werden. Nur durch eine moderne Bildungspolitik kann der Wandel in der Arbeitswelt gelingen, können die neuen anspruchsvollen Jobs nach Deutschland geholt und das Gemeinwesen nachhaltig finanziert werden. Die bisherigen Ansätze – Beispiel Digitalpakt – waren nicht nur ergebnislos, sondern geradezu peinlich für einen Industriestaat wie Deutschland. Letztendlich braucht das Land einen „New Deal“, um den Menschen wieder eine Perspektive zu geben; eine Hoffnung zu schenken, dass es ihnen in der Zukunft besser gehen wird. Das wäre die Grundlage für „Inclusive Growth“. Das Gefühl von Ungleichheit und Ungerechtigkeit könnte zurückgedrängt werden und die Politik und die Institutionen würden wieder das Vertrauen gewinnen, das ihnen weite Bevölkerungskreise entzogen haben.

Ende der alten Ordnung

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Die sozialen Medien und die Globalisierungsdebatte – Twitter, Facebook & Co. geben den Ton an

„Wenn das Gefühl stark ist, kommst du mit Fakten nicht mehr durch“, bemerkte einst der Psychoanalytiker und Philosoph Horst-Eberhard Richter. Nirgends lässt sich das besser beobachten als in den sozialen Medien, wo Twitter seinen Nutzern auf 280 Zeichen (vorher 140) allenfalls kurze Meinungsäußerungen erlaubt. Differenzierung und das Abwägen von Fakten sind unmöglich. Mit „Hashtags“ werden Beiträge zudem gebündelt und zugeordnet, womit sich schnell ein Spin in Debatten bringen lässt. Zugleich spielen automatisch generierte Meinungsmaschinen, „Social Bots“, eine Öffentlichkeit vor, die es nicht gibt. Lange Zeit wurde die politische Macht der sozialen Medien verkannt. Erst mit der Brexit-Abstimmung und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten richtete sich der Fokus auf sie, da Propaganda und Manipulationen beide Male eine große Rolle spielten.

"Contra TTIP" erfolgreich

Auch die Freihandelsdebatte ist durch Twitter & Co. entscheidend beeinflusst worden, wie das Europäische Journalismus Observatorium (EJO) in Dortmund zeigt. Gleich zu Beginn der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) drehten NGOs wie Attac, WikiLeaks, Greenpeace, Lobbycontrol und Campact die Debatte „contra TTIP“. Das EJO spricht von „affektiven Nachrichtenströmen“ und von kollaborativen, unkoordinierten Prozessen. Die Medienwirksamkeit ist enorm angesichts dessen, dass allein Twitter wöchentlich etwa 1,8 Millionen aktive Nutzer in Deutschland aufweist (Facebook: 20,5, Instagram 5,6 Millionen).

Ausgewogene Inhalte in der Freihandelsdebatte, kritisiert das EJO, seien geradezu marginalisiert worden und gegen die Übermacht der Antistimmung nicht angekommen. Und da viele Journalisten auf Twitter aktiv sind, hatte dies auch Rückwirkungen auf die Tonlage in der klassischen Berichterstattung – ein Multiplikatoreffekt par excellence.

Digitale Öffentlichkeit

Wie sehr die sozialen Medien bisweilen die Meinungsmacht übernehmen, zeigten zuletzt auch die Proteste der „Gelbwesten“ in Frankreich – ein Aufstand ohne Führungspersönlichkeit, allein geleitet durch Koordination und Verstärkungseffekte über die sozialen Medien.

Schnell kann sich in den klaustrophoben Filterblasen im Netz eine Wut zu allerlei Themen aufbauen. Dort befindet man sich unter Seinesgleichen, bestätigt sich gegenseitig, stachelt sich auf, kapselt sich ab von „störenden“ Informationen. Digitalpublizist Sascha Lobo spricht vom Medien-Nihilismus: nichts glauben, nichts sehen, die Verneinung von Erkenntnismöglichkeit, die Unterstellung, alles sei manipuliert. In einem solchen Klima des Misstrauens ist der klassische öffentliche Diskurs unmöglich, können Minderheiten den Ton angeben und demokratische Entscheidungen kippen.

An wen können sich Politik und Wirtschaft denn noch wenden, wenn ihre Glaubwürdigkeit von vornherein angezweifelt wird und Fakten nicht mehr anerkannt werden? Wie lassen sich größere politische Projekte überhaupt noch durchsetzen, wenn „Wutbürger“ über soziale Medien die Wahrnehmung des ganzen Meinungsspektrums verzerren? Das, was man einmal „Öffentlichkeit“ genannt hat, braucht ein Update. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen den Diskurs neu aufsetzen, etwa auch dadurch, dass man Social Bots als solche kennzeichnet.

Die Schuld(en)frage lässt an der Fortexistenz der Eurozone zweifeln

Entgegen vielen politischen Bekundungen hat die Finanzkrise zu keinem regelrechten Umdenken bei der Staatsfinanzierung geführt – Risiken nehmen wieder zu

Von Stephan Lorz

Schulden haben einen janusköpfigen Charakter: Damit können Investitionen finanziert werden, die künftiges Wachstum ermöglichen. Das erhöht den Wohlstand. Sie können den Schuldner aber auch ins Unglück stürzen, wenn er sich übernimmt – oder sich die Rahmenbedingungen ändern. Denn Schulden machen verletzlich gegenüber Schocks am Finanzmarkt und sie verengen den finanziellen
Spielraum. Wo genau  die Grenze zwischen beiden Sphären liegt, darüber streiten sich die Ökonomen. Dass sie im Falle der Finanz- und Schuldenkrise vor zehn Jahren überschritten worden war, darüber
sind sich aber alle einig. Im Falle der amerikanischen Bankenkrise ging man zu leichtfertig mit der Verschuldung um, was einzelne Institute in die Krise stürzte und schließlich das globale Finanzsystem erschütterte. Und im Falle der Euro-Krise waren es einige Staaten, die sich bei der „Rettung“ ihrer Banken verhoben oder sich schon vorher eine zu hohe Schuldenlast aufgebürdet haben.

Umso mehr erstaunt, dass die Finanz- und Schuldenkrise nicht zu einem radikalen Umdenken geführt hat. Das hat objektive Gründe, die sich aus der Bekämpfung der Krise herleiten, liegt aber auch an politischen und kulturellen Faktoren. Nur wenige Länder wie Deutschland können seit 2007 einen deutlichen Fall der Schuldenquote vorweisen. 2019 wird sogar wieder die 60-Prozent-Marke in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) unterschritten. Unmittelbar nach der Krise stieg dieser Wert noch bis auf 80,9 %.In den meisten anderen Euro-Staaten ist das nicht gelungen – im Gegenteil: Die Staatsverschuldung liegt noch immer deutlich über dem Vorkrisenstand, kritisiert Michael Heise, Chefökonom der Allianz. Und das trotz der längsten Boomphase seit Jahrzehnten und trotz Unterstützung der Notenbank mit Nullzinsen und Anleihekäufen. Erst im laufenden Jahr dürften alle Euro-Staaten erstmals seit Start der Währungsunion das Drei-Prozent-Defizitkriterium einhalten.

Das Schuldenstandskriterium indes liegt noch in weiter Ferne. Selbst unter günstigsten Bedingungen, so die Allianz, werden die ehemaligen Eurokrisenländer die 60-Prozent-Grenze auch in 15 Jahren noch nicht erreicht haben.Problem sind dabei weniger die politisch immer wieder in Anspruch genommenen „Umstände“, die eine striktere Konsolidierung einfach verhindern würden, sondern der fehlende politische Wille, weil Wählerwünsche enttäuscht und Wahlversprechen sich ansonsten als unfinanzierbar erweisen würden – und weil die ultraniedrigen Zinsen schlicht falsche Anreize setzen. Kredite sind ja so billig wie noch nie. Das ist verführerisch. Kritik an der Schuldenpolitik wird zudem gerne mit der Klage über die oktroyierte wachstumsfeindliche „Austeritätspolitik“ gekontert. Dabei haben die Staatsausgaben in der Eurozone seit 2007 beständig zugelegt. Die laute Klage vom Gürtelengerschnallen ist schlicht falsch.

Der Hunger nach Kredit (nicht nur von Staaten) ist indes ein globales Phänomen: Nach Angaben des McKinsey Institute ist die staatliche und private Verschuldung zwischen 2007 und 2017 weltweit von 97 auf 169 Bill. Dollar gestiegen. Der neue Chefökonom der DWS, Martin Moryson, zeigt sich denn auch ziemlich zerknirscht: „Die Schulden wandern, gehen aber nicht weg.“ Nur Schuldner und Gläubiger seien andere.

Gefährlich werden die Schulden vor allem dann, wenn der nächste Abschwung kommt. Dann trifft er auf einen Schuldenberg, der noch größer ist, als er es zu Beginn der Finanzkrise gewesen war. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Zentralbanken ihr Pulver weitgehend verschossen haben und noch nicht wieder ab­wehrbereit sind. Der konjunkturelle Herbst hat sogar schon begonnen; hinzu kommen der Protektionismus und das Unterfangen der Notenbanken, aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Das hätten sie mal früher zu Boomzeiten machen müssen. Gerade deshalb erstaunt auch die Chuzpe, mit der die US-Regierung sich zur Finanzierung ihres Budgets am Kreditmarkt bedient und die Schuldenquote (und damit auch die Zinslast) weiter nach oben treibt.Was tun? Die Ökonomen der Commerzbank fordern eine „Schuldenbremse mit Biss“.

Aber wie durchsetzen, wenn die EU-Länder deren Verbindlichkeit ohnehin infrage stellen? Die verquere Debatte über deutsche „Austeritätsforderungen“ lässt tief blicken und lässt den Argwohn aufblitzen, der innerhalb der Eurozone allgegenwärtig ist. Die eine Staatengruppe setzt auf stabile Finanzen, die andere geht davon aus, dass Wachstum nur durch höhere (kreditfinanzierte) Staatsausgaben erreichbar ist. Zwei unvereinbare Standpunkte, welche letztlich die Existenz der Eurozone infrage stellen.Aber vielleicht gelingt noch ein Kompromiss. Nicht zu Unrecht war in den Maastricht-Kriterien ein Schuldenstand von 60 % des BIP und ein laufendes Defizit von maximal 3 % vorgegeben. Bei einem damals noch „normalen“ Zinsniveau von 5 % kann sich der Staat jedes Jahr dann das Geld für die Zinszahlungen ohne schlechtes Gewissen leihen, weil die Schuldenquote bei einem Nominalwachstum von 3 % unverändert bliebe. Das ist auch gerecht, weil aktuelle Investitionen auch der nächsten Generation zugutekommen.

Andererseits sollten dann aber auch jene den finanziellen Spielraum ausnutzen, welche  die Kriterien bereits erfüllen. Von einer „schwarzen Null“ war nie die Rede. Zumal die Entwicklung gezeigt hat, dass zur Zielerreichung stets zuerst bei Investitionen gespart wird, weshalb dann die Infrastruktur verfällt und Zukunftsausgaben darniederliegen. Es kommt also darauf an, wofür man das Geld ausgibt. Die jüngsten Ausgabenentscheidungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Richtung soziale Wohltaten zeigen, dass Berlin hier nichts dazugelernt hat. Das gilt in den anderen Euro-Staaten aber genauso. Damit reduziert sich das Wachstumspotenzial und somit die Fähigkeit, in Zukunft höhere (demografische) Lasten zu schultern. Statt sich über Milliardenfonds in der EU zu verständigen, wäre es daher besser, sich auf eine Wachstumspolitik zu einigen in Anerkennung der Stabilitätskriterien – aber mit klarer Benennung, welche Investitionen keinesfalls gekürzt werden dürfen. Kurz: Die Fiskalpolitik muss sich Ausgabenregeln unterwerfen.

Kurs auf die nächste Krise

Aber vielleicht lässt die sich ab­zeichnende Konjunkturwende ohnehin keine finanziellen Spielräume mehr zu und es gilt, sich gegen die nächste Rezession zu wappnen. Dann ist den Regierungen das nationale Hemd natürlich näher als der europäische Rock, was jeden Kompromiss blockiert. Und was bleibt dann, um den Schuldenberg abzutragen? Inflation, Währungsreform, Staatsbankrott. Seit dem Jahr 1800 hatte es weltweit rund 250 Staatspleiten für die Auslandsschulden und mindestens 68 Inlandspleiten gegeben, bei denen die Einlagen der eigenen Bevölkerung in Landeswährung betroffen waren, haben die US-Öko­nomen Kenneth S. Rogoff und Carmen Reinhart nachgezählt. Ein solches Szenario würde dann auch jene Staaten in die Krise stürzen, die wenigstens versucht haben, eine nachhaltige Finanzpolitik zu betreiben. Die Konsolidierungsanstrengungen Deutschlands wären dann weitgehend umsonst gewesen.

Die inneren und äußeren Feinde des freien Marktes

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben protektionistische und antiliberale Tendenzen befördert, weil sie schädliche Marktkräfte und kapitalistische Exzesse nicht früh und energisch genug gezügelt haben. Das hat die Menschen unserer Wirtschaftsordnung entfremdet und den Boden bereitet für Populisten und Nationalisten, die nun auch die Destabilisierung der Demokratie zum Ziel haben.

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Er ist das Gesicht für den gerade im Gange befindlichen Wendepunkt in der Geschichte des Westens: US-Präsident Donald Trump. Mit seinen von Nationalismus und Protektionismus geprägten Handlungen in den vergangenen Monaten steht er für die Zurückdrängung jener Werte, welche die USA einst haben zur Supermacht werden lassen: Marktliberalismus und Globalisierung, internationale Zusammenarbeit und die Verteidigung der freiheitlich-offenen Gesellschaften. Nicht mehr Verhandlung und Ausgleich gelten ihm als die politischen Instrumente der Wahl, sondern Machtprojektion und Einschüchterung. Der Kapitalismus wird nicht als Wirtschaftsmodell gesehen, sondern als Herrschaftsform und politisches Vehikel verstanden. Kein Wunder, dass die Menschen dann zunehmend auch das Zutrauen in die Gemeinwohl fördernde Wirkung der Institution Marktwirtschaft verlieren und nach Alternativen Ausschau halten, wie sie etwa China mit ihrer Form einer „sozialistischen Marktwirtschaft mit Staatsaufsicht“ durchaus erfolgreich praktiziert.

Man würde nun Trump zu viel Ehre antun, ihn als den Sargnagel freiheitlicher Märkte zu bezeichnen. Er steht nämlich nicht alleine, hat Vorläufer und Mitläufer – und agiert in einem gesellschaftlichen Klima, das solches Verhalten nicht nur toleriert, sondern weitgehend goutiert. Letztendlich ist er sogar das Produkt einer Entwicklung, die eigentlich im Kern des Kapitalismus ihren Ausgang genommen hat. Denn der gesellschaftliche Rückhalt für marktliberale Ordnungen ist schon vorher erodiert.

Politik, Wirtschaft, aber auch viele Ökonomen, die sich stets als Verteidiger von Kapitalismus und Marktwirtschaft aufschwingen, haben durch Handeln und Unterlassen, durch ihre Hybris, über dem Staat zu stehen, und durch einseitige Betrachtungen und Fachblindheit jene Entwicklungen eher noch befördert, welche die Menschen an der herrschenden Wirtschaftsordnung zweifeln ließen. Kurz: Sie haben die gesellschaftlichen Wirkungen ihres Tuns aus dem Blick verloren – oder schlicht unterschlagen, weil sich sonst die „ökonomischen Lehren“ nicht so klar hätten formulieren lassen. Und in einem Umfeld, in dem die Sorgen vor einem ökonomischen Kontrollverlust durch Globalisierung und Digitalisierung wachsen, diffuse Ängste vor der Komplexität und Unberechenbarkeit des Kapitalismus insgesamt aufkommen, haben Populisten, Verschwörungstheoretiker und Nationalisten schon immer leichtes Spiel gehabt.

Die Rolle der Ökonomen

Alle Marktakteure haben es vor allem versäumt, die Verlierer des Strukturwandels aufzufangen. Das ist speziell in den USA und in Großbritannien sicht- und spürbar, wo die sozialen Sicherungssysteme weitmaschiger sind als hierzulande. Tendenziell ist diese Schlagseite aber – mit Abstrichen – auch in Deutschland feststellbar, wovon etwa die jüngste Hartz-IV-Diskussion über den Umgang mit den Hilfsempfängern zeugt. Fatal hat sich dabei die einseitige ökonomische Argumentation auswirkt, die jede Kritik an der freien Entfaltung der Marktkräfte abgebügelt hat mit dem Hinweis, dass jedwede Einschränkung Wachstum und Jobwachstum entgegenwirken würde. Vielmehr wurde stets einer noch stärkeren Ökonomisierung der Gesellschaft das Wort geredet, indem etwa über höher Studiengebühren schwadroniert wurde.

Dass ein solches ökonomisches Verständnis womöglich die gesellschaftlichen Schichten eher noch mehr verfestigt statt sie durchlässiger macht, kam ihnen nicht in den Sinn – denn dafür fühlten sich die Wirtschaftswissenschaftler nicht zuständig. Im Ergebnis haben die Menschen zunehmend das Vertrauen in den sozialen Aufstieg verloren, wie Studien immer wieder belegen.

Tarif- vs. Managergehälter

Vollends wurde das Vertrauen in jedwede ökonomische Argumentation verspielt, nachdem die Meinungsmacher der wirtschaftspolitischen Debatte in ihrer Argumentation eine fatale Schlagseite zugunsten den Führungsetagen der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmerschaft an den Tag legten. Während Tariflohnsteigerungen lange Zeit stets als „zu hoch“ kritisiert wurden – durchaus mit einiger Berechtigung im Hinblick auf Arbeitskosten -, wurden die bisweilen obszön hohen Gehälter für Manager (und Investmentbanker) von den gleichen Akteuren regelmäßig „als Marktergebnisse“ verteidigt und wurde Kritik daran als „Neiddebatte“ apostrophiert. Dabei wurde zudem vergessen, dass die exorbitant hohen Gehälter ja eigentlich den Erfolg des Unternehmens widerspiegeln sollen, was wiederum doch das Ergebnis aller anderen Mitarbeiter ebenfalls ist und nicht einigen wenigen Personen zugeschrieben werden kann. Derlei Doppelmoral erschüttert natürlich das Vertrauen der Menschen in die letztendlich auch sozial stabilisierende Kraft der Marktwirtschaft.

Gewiss gibt es in einer Marktwirtschaft keine festen Regeln, welches „Einkommen“ und welche „Einkommensunterschiede“ fundamental gerechtfertigt sind angesichts des Erfolgs oder Misserfolgs des jeweiligen Unternehmens, und welche Personengruppen welchen Anteil an den Leistungen oder Fehlleistungen haben, um sie entsprechend zu würdigen oder zu sanktionieren. Aber es geht hier um Geldsummen jenseits aller Größenordnungen – und dies in der Regel für Unternehmenslenker, die weder mit ihrem Gesamtvermögen für das Unternehmen insgesamt einstehen, wie das etwa bei Familienunternehmen der Fall ist. Letztlich sind auch die hochbezahlten Manager Angestellte wie die Pförtner bei der Einlasskontrolle. Ein Denkanstoß: Wer 10 Mill. Euro im Jahr erhält, könnte täglich rund 27.000 Euro ausgeben. Jenseits von Neidgefühlen: Ist das eine Größenordnung, die noch irgendetwas mit persönlicher Leistung eines Angestellten zu tun hat?

Längst, so scheint es, hat sich durch die Usancen im globalen Finanzkapitalismus eine finanzielle Aristokratie herausgebildet, die einer Marktwirtschaft eigentlich fremd sein sollte. Dieses Zweiklassensystem – die da oben, wir da unten – fordert den Klassenkampf förmlich heraus. Noch wirkt dem allerdings das Mantra entgegen, das der britische Kriegspremier Winston Churchill formuliert hat: „Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: Die ungleiche Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: die gleichmäßige Verteilung des Elends“. Beides keine attraktiven Vorstellungen. Doch, dass der „Kapitalismus ungesund ist – sogar für Kapitalisten“, das Wort des Philosophen Ernst Bloch könnte sich in der nächsten Entwicklungsstufe erfüllen: die Digitalisierung.

Digitalisierung des Kapitalismus

Denn das Zweiklassensystem wird durch die Digitalisierung noch verstärkt: einerseits entziehen sich die Digitalkonzerne ihrer steuerlichen Pflicht durch schlichte Umleitung der Datenströme. Das erschwert dem Staat die Aufrechterhaltung der Infrastruktur und seiner sozialen Verpflichtungen; zumal in einer Welt, in denen der sozialversicherungspflichtige Normalarbeitsplatz wohl irgendwann ausgestorben sein wird. Andererseits setzen sich diese Konzerne über nationale Grenzen hinweg, weil sie sich als überstaatliche Entitäten verstehen. Es gibt sogar Planungen, dass diese Multis eins eigene Offshore-Staaten auf riesigen Plattformen auf dem Meer gründen könnten. Eine staatliche Regulierung wird dann nahezu unmöglich, ohne den Datenverkehr komplett zu kontrollieren, was wiederum der Regierungsform einer Demokratie widersprechen würde. Insofern geht es hier auch um die politische Zukunft unserer Gesellschaft – ein Aspekt, der von Verbänden und Ökonomen in der Regel kaum betrachtet wird.

Und schließlich neigen die Digitalkonzerne dazu, Markt und Wettbewerb insgesamt auszuhebeln, weil sie Netzwerkeffekte ausnutzen können. Der Risikokapitalgeber und einflussreiche US-Unternehmer Peter Thiel erteilte dem Wettbewerbsprinzip sogar eine komplette Absage. „Wettbewerb ist etwas für Verlierer“, sagte er und warb für die segensreiche Gemeinwohl steigernde Wirkung von Monopolen. Inzwischen dominieren Facebook und Google 80% aller digitalen Werbeerlöse außerhalb von China. Diese Entwicklung war schon vor Jahren absehbar, doch der Aufstand der Wettbewerbsökonomen und Kartellwächter blieb aus. Während sie lange Zeit die Schrankenlosigkeit des digitalen Marktes verteidigten, weil so junge Märkte schließlich mehr Frei- und Experimentalräume benötigten (als ob es sich hier nicht um Multi-Milliarden-Märkte handeln würde), werden die „analogen Industrien“ durch etablierte Regeln behindert bei der Positionierung in den digitalen Gefilden.

Nach dem Versagen der Ökonomen im Vorfeld der Finanzkrise signalisiert offenbar auch die Digitalisierung, wie groß die Scheuklappen in dieser Wissenschaft sind, dass sie nicht sehen oder sehen wollen, wie sehr sich „ihre“ Ökonomie digital wandelt, und wo die Herausforderungen liegen, um das Wettbewerbsumfeld zu schützen und den neuen Entwicklungen anzupassen. Bis sich die Gesetzgebung dann darauf einstellt, sind schon längst Tatsachen geschaffen: neue Oligopole und Monopole.

Diese Verfehlungen in der Gegenwart – das Zulassen von immer größer werdenden Einkommens- und Vermögensungleichheit, die Etablierung einer Finanzaristokratie inmitten einer Marktwirtschaft, das Versagen bei der Regulierung der digitalen Welt – hat die Menschen der Marktwirtschaft entfremdet. Sie schenken dem Werben aus Wirtschaft und Wissenschaft für freie Märkte und dem Wettbewerb keinen Glauben mehr. Zumal die Erfolge Chinas ihnen ja auch vorführen, dass die Menschen mit einem staatlich eingeschränkten Wettbewerb ja auch nicht schlecht fahren, dem Westen sogar die Produktionsmittel (Patente, Technologie, Unternehmen) von chinesischen (Staats-)Unternehmen weggekauft werden – und dies ohne Demokratie im Land.

Auch hier haben Unternehmen und Ökonomen zu lange weggeschaut und unterschätzt, wie das „Vorbild China“ auf die hiesigen Gesellschaft wirkt und deren Erfolge im Denken abfärben. Plötzlich scheinen paternalistische oder sozialistische Kommandowirtschaften wieder attraktiv, während die Schwächen der demokratischen Gesellschaften immer stärker in den Vordergrund treten. Insofern schlagen die Loblieder, die über Jahre auf Asien und China gesungen wurden, weil man Umsatz- und Handelserfolge erzielen konnte, plötzlich wieder zurück.

Das lässt die Bürger in demokratischen Staaten am Nutzen der reinen marktwirtschaftlichen Lehre und am Freihandel zweifeln; und der demokratischen Staat kommt in Bedrängnis, weil der nicht in der Lage zu sein scheint, den aktuellen Herausforderungen adäquat zu begegnen, sich ausnehmen lässt von autokratischen Regimen, Digitalkonzernen und einer Finanzaristokratie.

Um das verlorengegangene Vertrauen in die Marktwirtschaft und die Demokratie zurückzugewinnen, und die nationalistischen, populistischen und separatistischen Gruppierungen auch hierzulande zurückzudrängen, braucht es deshalb eine Neubesinnung auf die „Werte des Westens“. Und das ist nicht nur eine Aufgabe der Politik, sondern auch der Wirtschaft und der Wissenschaft. Es geht darum der wachsenden Ungleichheit zu begegnen – und nicht darum, sie bis zur Selbstverleugnung zu verteidigen oder einfach wegzudefinieren. Es geht darum, den Boni-Exzessen einen Riegel vorzuschieben, etwa, indem man analog Zahlungen in entsprechender Höhe an alle Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens zur Verpflichtung macht. Manche deutsche Autohersteller machen das durchaus vor. Und es geht darum, die Liberalität und Freiheit des Marktes zu verteidigen nicht nur gegen den Staat wie bisher, sondern auch gegenüber Unternehmen, die sich als gemeinwohlorientiert darstellen, in Wahrheit aber wie Facebook ein Überwachungs- und Werbekonzern sind.

Viel zu spät wurden die analogen Regeln und Gesetze der digitalen Veränderung angepasst. Und besser heute als morgen muss die Politik Vorschläge ausarbeiten, wie beim Steuerrecht und der Soziale Sicherung entsprechend reagiert. Ob eine Digitalsteuer hier das richtige Instrument ist, darf bezweifelt werden. Wichtig wäre eine – durchaus riskante – aber allumfassende Reform, welche für die analoge wie die digitale Sphäre gleichermaßen gilt.

Signalisiert der Staat, dass er – stets die Sicherheit und Wohlfahrt seiner Bürger im Blick und bereit, diese auch robust zu verteidigen, selbst unter Inkaufnahme von Nachteilen auf anderem Gebiet – sich hier auf den Weg macht, die Marktwirtschaft und Ordnungspolitik neu aufzustellen, dürfte er das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Das bewahrt den freien Markt – und sichert obendrein unsere Demokratie.

Ökonomen ohne Kompass

Der Wettbewerb als konstituierendes Element der Marktwirtschaft kommt unter die Räder – Wirtschaftswissenschaftler als Anwälte von Oligopolen – Digitalwirtschaft verlangt neues Denken

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Wettbewerb – darum dreht sich alles in der Ökonomie. Es ist der zentrale Mechanismus, ohne den die Marktwirtschaft ihren Namen nicht verdienen würde. Denn ohne die nötige Rivalität auf dem ökonomischen Marktplatz würde der Anreiz zu möglichst innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten und Prozessen fehlen, und der Druck auf die Preise würde nachlassen. Aus Sicht der Ökonomen ist dabei entscheidend, dass sich der Staat möglichst weitgehend zurückhält, um die Marktverzerrung möglichst gering zu halten. Je geringer öffentlicher Einfluss, desto besser für die Preisbildung als Steuerungsmechanismus. Hohes Wachstum, mehr Wohlstand sind die Folge. So lautet zumindest das Mantra der Mehrzahl aller Ökonomen im westlichen Kulturkreis.

Doch inzwischen sind Zweifel angebracht, ob die ökonomische Zunft den „Wettbewerb“ weiterhin so absolut ins Zentrum rückt, wie in den Zeiten, als die Meinung vorherrschte, dass das Gemeinwohl in der Marktwirtschaft durch Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung zu erreichen ist. Diese Kampfbegriffe hatten sich tief in die Programme der politischen Parteien hinein gegraben.

Inzwischen erscheint die „Größe“ eines Konzerns etwa auf dem digitalen Markt viel wichtiger, und nimmt man sogar Oligopole und Monopole hin, weil das als geradezu konsumentenfreundlich gilt. Der Präsident der Monopolkommission, Achim Wambach, fabulierte jüngst in einem Interview, die Fusion von Unitymedia und Vodafone schaffe einen großen neuen Spieler auf dem Breitband-Markt, was den Wettbewerb dort beleben werde. „Das wird eine positive Wirkung auf den Breitbandausbau haben.“ Allenfalls bei der Übertragung von TV-Programmen über das Kabel könne es „Probleme“ geben.

Auch bei den Internetkonzernen hat sich eine gewisse wettbewerbspolitische „Beißhemmung“ breitgemacht mit dem Argument, der digitale Markt funktioniere schlicht anders, sei mit herkömmlichen Regularien nicht zu analysieren, würde sich ohnehin erst ausformen; außerdem würden Regulierungen oder eine Zerschlagung von Konzernen zu großer Marktmacht die Innovationsdynamik ersticken. Und schließlich laufe es ja gut – den Kunden entstünden keine Nachteile, weil die meisten Dienste ja kostenfrei seien und sich die Vorteile erst durch Bündelung auf Plattformen breitmachen könnten. Mit dieser Argumentation könnte man sogar einer Verstaatlichung das Wort reden, natürlich nur bei einem Staat, der wie Apple, Google oder Faceboot nur das Gute will.

Hat sich die moderne Ökonomie also nur den neuen Gegebenheiten angepasst? Gelten die bisherigen Grundsätze nicht mehr, wonach Wettbewerb unter allen Umständen geschützt bzw. wiederhergestellt werden muss, um eine faire Preisbildung zu ermöglichen? Oder mangelt es der modernen Ökonomie, die so gerne der Politik die Leviten liest, einfach an ordnungspolitischen Grundsätzen, weil sie sich zu sehr vor den Karren der Konzerne spannen lassen und deren Argumentationen aufnehmen?

Mit der Finanzkrise hatten die Wirtschaftswissenschaftler bereits ihre erste Kehrtwendung vollzogen. Der Zunft wurde schlagartig klar, dass „der Staat“, den sie bisher verteufelt und möglichst aus Spiel halten wollten, nicht per se zu den „Bösen“ zählt. Die einschlägigen Forderungen nach mehr „Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung“ galten als überzogen. Und in der Tat ist der Staat eben nicht immer Bremser, Absahner und Akteur, der nur falsche Anreize setzt und damit Sand ins ökonomische Getriebe streut, die Akteure abhält, ihre Innovationskraft und ihren Ehrgeiz auszuleben. Ohne die nötige Rahmengesetzgebung, welche die Wirtschaft etwa davor schützt, den Wettbewerb auszuhebeln oder dem Staat die Risiken aufzubürden, der für gleiche Wettbewerbsverhältnisse und den humanen Umgang mit den Mitarbeitern sorgt, geht es nun einmal nicht. Auch muss jemand natürlich unterbinden, dass es in einem Wettbewerbsumfeld zu Monopolisierungstendenzen kommt.

Denn Unternehmen haben ein natürliches Interesse, die Härten des Marktes zu mildern – etwa durch Kartelle oder durch schiere Größe mit damit einhergehender politischer Macht. Das wird dann natürlich stets argumentativ verbrämt etwa mit dem Hinweis, dass man schließlich im Weltmaßstab denken müsse und der deutsche/europäische/transatlantische Markt natürlich längst zu klein ist für die globalisierte Wirtschaft, und dass Skalenvorteile habe nötig sind – und das letztlich auch den Kunden zugutekomme.

Letzteres wird gerne bei Unternehmenszusammenschlüssen angeführt, wie jüngst bei der angestrebten Fusion zwischen Vodafone und Unitymedia. Hatten die beiden zuvor noch die Deutsche Telekom ins Visier genommen und über Wettbewerbsnachteile geklagt etwa wegen Blockaden beim Netz der Telekom, hat sich jetzt die gedreht und es wird nur noch über die Vorteile für die Kunden geredet.

In dieser Haltung, die von immer mehr Ökonomen eingenommen wird, scheinen die argumentativen Narrative der großen Konzerne auf. Das zeigt sich auch bei der Digitalisierung. Schon seit längerem schwingen sich Wirtschaftswissenschaftler auf mit Forderungen, der Staat müsse sich bei dem neuen digitalen Markt tunlichst heraushalten. Jeder Versuch einer Regulierung wie mehr Datenschutz oder sozial- und gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen wird vielfach als untauglich, wettbewerbsverzerrend und standortschädlich charakterisiert. Gerade bei der Neubildung eines Marktes, dürfe der Staat dem freien Spiel der Akteure nicht im Wege stehen, heißt es.

Das ist richtig, doch längst sind Google, Facebook und Amazon zu gigantischen Markt dominierenden Digitalkonzerne herangewachsen und haben jeden Wettbewerber förmlich aufgesaugt. Viel zu spät hat hier das Wettbewerbsrecht reagiert und die Eingriffsschwelle gesenkt. Auch die Bürger hatten die Entwicklung viel zu sorglos betrachtet. Während jeder Versuch des Staates, mehr Kompetenzen bei der Datenanalyse zu erhalten, mit Massendemos erstickt wurde, lieferten die Kunden (und Demonstranten) Facebook & Co. die Daten frei Haus und erfreuten sich deren „kostenloser“ Dienstleistungen.

Nun steht die Datenschutzgrundverordnung der EU an, und wieder ist die Spitze der Kritik an die Politik gerichtet, weil das Ganze zu kompliziert, zu aufwändig und gegenüber anderen Hoheitsgebieten wie den USA und Asien schädlich für den Wettbewerb sei. Außerdem würde die Innovationskraft geschädigt; Investitionen würden aus Europa verlagert, wenn es darum geht, die Datenwirtschaft voranzutreiben.

Netzökonomien funktionieren in der Tat nach etwas anderen Gesetzmäßigkeiten. Das gilt für jene, die physische Netze ausspannen für Öl, Gas und die Telekommunikation, genauso wie für jene, die direkt mit digitalen Gütern handeln wie Google & Co. und obendrein als virtuelle Plattform dienen wie AirBnB oder Facebook. Bei ersterer Kategorie hat sich ein Modus-vivendi bei der Regulierung eingespielt. Es geht um Durchleitung, um Lizenzen und eine strenge Form der Ausschreibung. Bei den digitalen Gütern und Plattformen hat sich indes noch keine allgemein verbindliche Umgangsform herausgebildet.

Aber klar muss sein: Zum einen müssen auch die Digital- und Plattformkonzerne im direkten Wettbewerb wie die „traditionelle“ Wirtschaft die gleichen Pflichten erfüllen, was etwa Haftung und soziale Sicherung angeht. Zum anderen ist dafür Sorge zu tragen, dass die verbrieften Grundrechte nicht verletzt werden. Das gilt etwa für den Datenschutz und die Steuerpflicht. Umso fataler ist die Zögerlichkeit bei der Durchsetzung der geltenden Bestimmungen, weil den digitalen Konzernen dadurch Vorteile gegenüber der etablierten Wirtschaft erwachsen. Und schließlich muss der Wettbewerb als konstituierendes Element gewährleistet und geschützt werden.

Es wäre die noble Aufgabe der Ökonomie hier an einer Ordnungspolitik zu arbeiten, welche die (grund-)rechtliche, soziale, steuerliche Pflichten der Digitalkonzerne ebenso mit einbezieht wie die tradierten Normen für die bisherigen Formen der Ökonomie. Die haben sich nämlich in der Sozialen Marktwirtschaft durchaus bewährt – zum Vorteil aller „Stakeholder“. Und selbst unter Berücksichtigung der neuen (?) Gegebenheiten von Netzwerk- und Plattformeffekten, den anderen Anreizeffekten einer Share- und Kostenlosökonomie muss klar sein, dass der Wettbewerb der Akteure auf dem Marktplatz nicht ausgehebelt werden darf – unter welchem Umständen und mit welchen Ausreden auch immer. Ansonsten könnte man gleich ein Loblied auf den schrankenlosen Frühkapitalismus oder der Staatswirtschaft anstimmen. Denn die wären dann nicht mehr weit.

Kampf gegen die Hydra

Für Berlin ist es wie beim Kampf gegen das Sagenmonster Hydra: „Sie schlagen Köpfe ab, und es wachsen neue Köpfe nach“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach den Veröffentlichungen der Paradise Papers, die aggressive Steuergestaltungsmodelle von Unternehmen und Einzelpersonen aufgedeckt haben. Entgegen dem Eindruck, den die öffentliche Empörung vermittelt, sind diese Modelle indes weitgehend legal, allenfalls illegitim. Gleichwohl muss Berlin handeln: Zum einen, weil dadurch Milliarden an Steuereinnahmen verloren gehen, zum anderen, weil normale Steuerzahler zunehmend das Gefühl beschleicht, dass es beim Fiskus unfair zugeht. Und wenn wegen der schwierigen Besteuerung mobilen Kapitals die immobilen Faktoren wie Arbeit noch stärker belastet werden, schwindet die Akzeptanz des Steuersystems noch schneller.

In den vergangenen Jahren war die Politik im Kampf gegen Steuergestaltung deshalb nicht untätig. Im Oktober startete der automatische Finanz-Informationsaustausch. Seit Juni ist das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung rechtskräftig. Es gibt Maßnahmen gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Beps), seit Dezember 2016 den automatischen Informationsaustausch über Tax-Rulings. Und bald kommt das Country-by-Country-Reporting. Bedenklich stimmt indes, dass Berlin nach wie vor regelrechte Steueroasen wie die Isle of Man, die Kanalinseln oder Malta duldet. Dabei müsste Deutschland eigentlich darauf dringen, dass in Europa strengere Regeln nicht bloß für Drittstaaten, sondern auch für EU-Länder gelten, damit sie keine Steuerparadiese mehr sein können.

Was bremst Berlin? Neben europäischer Rücksichtnahme sind das zum einen die eigenen Interessen. Denn viele deutsche Konzerne machen einen großen Teil ihres Geschäfts im Ausland, bezahlen aber den Löwenanteil ihrer Steuern hierzulande. Andernorts nutzen die heimischen Unternehmen Steuerlücken natürlich ebenso, wissen um den Einsatz von Verrechnungspreisen und Lizenzgebühren. Das sichert ihnen die Wettbewerbsfähigkeit. Zum anderen kann der Missbrauch nicht ganz unterbunden werden, weil die Marktfreiheit, immerhin ein konstitutives Element unserer Verfassung, dann weiter beschränkt werden müsste.

Weitere Reparaturen am bestehenden System machen alles aber noch komplizierter und unberechenbarer, was wieder neue Steuerlücken eröffnet. Hinzukommt die Digitalisierung, welche die traditionellen Ansatzpunkte der Besteuerung auflöst. Nachdem bisherigen Besteuerungsprinzip bezahlt ein Konzern die Steuern dort, wo er seine Wertschöpfung generiert. Das ist schon in der analogen Wirtschaft schwer zu verorten, in der digitalen Sphäre aber schier unmöglich. Wo entsteht die Wertschöpfung? Im Kopf der Programmierer im Silicon Valley? Oder dort, wo die Rechner stehen – falls sie überhaupt einen Ort haben? Oder sind es erst die Inputdaten der Kunden, die nutzbar gemacht werden?

Es ist daher Zeit für einen neuen Ansatz: Warum nicht zu einer mehr umsatzbasierten Besteuerung wechseln, die Güter und Dienstleistungen dort besteuert, wo sie verkauft werden, wo also die Kunden sind? Dann schrumpfen die Möglichkeiten zur Steuerminimierung. Anders als Gewinne lassen sich Menschen nämlich nicht beliebig hin- und herschieben. Im Frühjahr wurde diese Idee in den USA schon einmal ventiliert – allerdings mit dem Ziel, die heimische Industrie zu bevorzugen und sich so Exportvorteile zu verschaffen. Deshalb gab es hierzulande einen großen Aufschrei. Jenseits dieser Intention hat die Überlegung aber durchaus Charme. Und anders als bei einer zusätzlichen Mehrwertsteuer dürften Unternehmen bei einer betrieblichen Destination-based Cash-flow-Tax (DBCT) Löhne und Investitionen steuerlich geltend machen.

Mit seinen Vorschlägen einer umsatzbasierten Ausgleichssteuer für Digitalkonzerne geht Brüssel ohnehin schon in diese Richtung. Auch über eine Modernisierung der Definition für „Betriebsstätten“ wird dort nachgedacht. Dadurch kommt man ebenfalls einer verbrauchsorientierten Steuer näher. Statt also weiter Verschärfungen und Anpassungen am alten Steuersystem vorzunehmen, wäre es besser, über dessen Grundmodernisierung zu diskutieren. Knapp 100 Jahre nach den Erzbergerschen Steuerreformen, die heute noch überall durchwirken, ist diese Diskussion längst überfällig. Bloß ist weit und breit in der Politik niemand auszumachen, der systematisch über Soli, Reichen-, Erbschaft- und Vermögensteuer hinausdenkt.